Er muss in den 1960er Jahren ein Visionär voller Vertrauen in die Zukunft und seine eigenen Ideen gewesen sein: Der Gründer der DATEV, Heinz Sebiger, damals Anfang 40 und Präsident der Nürnberger Kammer der Steuerbevollmächtigten. Der Fachkräftemangel in den Steuerkanzleien und Sebigers Begeisterung für die neue Technologie der elektronischen Datenverarbeitung brachten ihn auf die Idee, vor 50 Jahren als genossenschaftlich organisierte Selbsthilfe die „Datenverarbeitungsorganisation der Steuerbevollmächtigten für die Angehörigen des steuerberatenden Berufes in der Bundesrepublik Deutschland“ mit einigen Kollegen zu gründen.
Die DATEV verarbeitet bis heute Daten aus den Mitglieds-Kanzleien zentral. Vor einem halben Jahrhundert wäre es für die Einzelnen kaum wirtschaftlich gewesen, Computer zu nutzen. Und darum ging es ja auch: Steuerberatern kostengünstig bei ihrer Arbeit zu helfen. Heute kommt das Thema Datenschutz dazu. Sie sei froh, dass der Server mit den Mandantendaten in Nürnberg stehe und nicht ihrem Büro, sagt Sabine Wirsching, Steuerberaterin aus Höchberg (Landkreis Würzburg), seit 30. April im Aufsichtsrat der DATEV und einzige Unterfränkin in dem Gremium.
DATEV beschäftigt 7000 Menschen Vor 50 Jahren warben eine Handvoll Genossen für die neue Organisation. Inzwischen gehören 40 000 Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Anwälte dazu. „Wir nennen uns Mitglieder“, sagt Wirsching. Genossen habe doch einen etwas politisch-roten Charme. Die inneren und äußeren Werte der Genossenschaft schätzen sie und ihre Kollegen trotzdem: Demokratie- und Netzwerkgedanken, die Unabhängigkeit von Investoren. „Die Organisation gehört uns Steuerberatern“, sagt sie.
Das Unternehmen beschäftigt 7000 Menschen an verschiedenen Standorten für Softwareentwicklung, Beratung, Schulung, sagt Jutta Schirmer-Roggenhofer, Leiterin des Nürnberger Informationszentrums der Genossenschaft. Diese begleite die Steuerkanzleien von der Gründung bis zur Übergabe, berate am Anfang und helfe am Ende, Nachfolger zu finden. Grund der Gründung und Kerngeschäft des Unternehmens war und ist allerdings die Verarbeitung der Mandantendaten. Das begann mit Lochkartenstreifen vor einem halben Jahrhundert und spielt sich jetzt in der digitalen Cloud ab.
Umfassende Datensammlung Die DATEV verarbeitet und speichert die Informationen aus den Steuerkanzleien. Das sind die Daten, die nötig sind für Steuererklärungen und Bilanzen, aber beispielsweise auch für Lohnbuchhaltung, für Entscheidungen zur Unternehmensentwicklung, für Kreditgespräche bei der Bank. Bald werde die Genossenschaft auch Belege für die Buchhaltung von Unternehmen digital aufbewahren, sagt Wirsching.
Dass bei einer so umfassenden Datensammlung Sicherheit eine große Rolle spielen muss, versteht sich von selbst. Der Sicherheitsgedanke ziehe sich durch alle Bereiche, sagt Pressesprecher Till Stüve. Die Daten seien auf dem eigenen Server gespeichert und mehrfach gesichert. Störfall habe es noch keinen gegeben. In den 1960er Jahren allerdings habe DATEV-Gründer Sebiger schlechte Erfahrungen mit einem externen Rechenzentrum gemacht, das Daten eines Mandanten verarbeiten sollte und Unbrauchbares lieferte. „Das war wohl die Initialzündung für das eigene Dienstleistungsunternehmen der Steuerberater“, sagt Stüve.
Technikbegeisterter Visionär Den Gründer haben Wirsching, Schirmer-Roggenhofer und Stüve erst kürzlich bei der Jubiläumsfeier erlebt. Und sie schwärmen alle drei von seiner Präsenz auf der Bühne bei der Ansprache. Als der inzwischen 93Jährige auftrat, seien Tausende von Zuhörern auf einen Schlag mucksmäuschenstill gewesen. Man sehe Sebiger fast nie ohne Smartphone oder Tablet. Er sei immer noch technikbegeistert und sehr neugierig, sagt Stüve. Für ihn steht er in einer Reihe mit Konrad Zuse, dem Erfinder des ersten funktionsfähigen Computers und Heinz Nixdorf, der die Geräte verkleinerte und damit verbreitete. Sebiger habe die Technologie durch betriebswirtschaftliche Anwendungen für viele nutzbar gemacht.
Angst, dass DATEV und Steuerberater irgendwann arbeitslos werden, dann nämlich, wenn - wie oft bildhaft gefordert - ein Bierdeckel für die Steuererklärung ausreicht, haben weder Schirmer-Roggenhofer noch Wirsching. Abgesehen davon, dass es die Idee in der Politik schon lange gebe, ohne dass sie verwirklicht wurde, könnten wohl auch dann nicht alle die Steuererklärung selbst machen. Nicht nur große Unternehmen, sondern beispielsweise auch Seniorinnen mit mehreren Renten und Pflegeausgaben bräuchten weiter Unterstützung, ist Sabine Wirsching sicher.