Partnerschaften können bekanntlich mit der Trennung enden. Die deutschen Autobauer wissen davon ein Lied zu singen. Sie alle fuhren mit ausländischen Partnern schon einmal vor die Wand. Umso bemerkenswerter ist daher die jüngste innerdeutsche Zusammenarbeit zwischen Audi, BMW und Mercedes. Das Trio gönnt sich im Rennen um die Ära selbstfahrender Autos mit dem milliardenschweren Kauf der Nokia-Sparte Here einen eigenen Kartendienst. Sollte die Zusammenarbeit der drei Konkurrenten so laufen wie einige ihrer bisherigen Partnerschaften, dann ist der Rosenkrieg programmiert.
Dabei dürften Kooperationen dieser Art häufiger werden, sind sich Experten sicher. Insbesondere wenn es darum geht, sich als Branche gegen neue Wettbewerber zu positionieren wie im Falle von Nokia Here, wo Google und Apple ihrerseits Lösungen erarbeiten und neue Allianzen entstehen. Jüngst intensivierten etwa der Zulieferer Bosch und der Navi-Anbieter Tomtom ihre Partnerschaft im Bereich der Karten.
„Es ist natürlich sehr viel einfacher, in einem Bereich zu kooperieren, wo kein Wettbewerb besteht“, sagt Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft in Gelsenkirchen – auch mit Blick auf das Kartellrecht. Bei den Karten von Nokia ist das nach Meinung von Bratzel ebenfalls der Fall. Denn die entscheidenden und damit auch für die Kundenbindung wichtigen Dienste bauten erst auf den Kartendiensten, die Nokia Here liefert, auf. Darüber hinaus bieten sich nach Einschätzung von Bratzel Felder an, die erst in Zukunft wichtig werden. Toyota und BMW etwa arbeiten gemeinsam an Brennstoffzellentechnik – ebenso wie Daimler und die Allianz aus Renault/Nissan. „Wenn die Brennstoffzelle sich irgendwann durchsetzt, wird das schwieriger“, so Bratzel. Denn insbesondere der Antriebsstrang bleibe für die Autobauer wettbewerbsrelevant.
Vor allem in neuen Feldern, in denen die Autohersteller sich auf neue Bedingungen einstellen müssen, dürften Kooperationen zunehmen, sagt Peter Fuß von der Wirtschaftsberatung Ernst & Young. Im IT-Bereich seien die Entwicklungszyklen deutlich kürzer und agiler als im Autogeschäft, wo ein neues Modell in der Regel binnen sechs bis sieben Jahren entwickelt wird. Deshalb seien Kooperationen an kritischen Stellen wie der Sensorentechnik denkbar. „Die Autohersteller müssen an der entscheidenden Stelle das Steuer in der Hand behalten“, sagt Fuß. Die Konkurrenz der US-Megakonzerne hält er dagegen für weniger gefährlich. „Wenn Apple und Google wollten, könnten sie mit Leichtigkeit einen Autohersteller kaufen und selbst Autos bauen“, sagt Fuß. „Den IT-Konzernen geht es aber eher darum, ihr Geschäftsmodell im Auto weiterzutreiben“, so Fuß. Dafür sei dann Zeit, wenn die autonomen Fahrzeuge die Kontrolle übernehmen und den Fahrer peu a peu entlasten. Und dabei drängt die Zeit: 2020 wird es nach Vorhersage des IT-Marktforschungsunternehmens Gartner weltweit 250 Millionen Fahrzeuge geben, die für das vernetzte Fahren ausgerüstet sind. Das wären etwa fünfmal so viel wie der aktuelle Fahrzeugbestand in Deutschland oder etwa jedes fünfte Auto weltweit.
Vernetzte Wagen taugen für Online-Services wie Parkplatzanzeige, Musikstreaming und das Vorlesen von E-Mails, können aber dank vernetzter Helferlein auch teilautomatisiert fahren. Damit werden Autos ein wichtiger Teil des sogenannten Internets der Dinge, in dem Gartner zufolge 2020 weltweit 25 Milliarden Teile miteinander vernetzt sein werden – vom Handy über den Kühlschrank bis zur Ampel.
„Das vernetzte Auto ist schon heute Realität, und die fahrzeuginternen Online-Dienste breiten sich rasant aus von den Oberklassemodellen in der Luxusklasse hin zu Volumenmodellen in der Mittelklasse“, sagt James Hines, Marktforscher bei Gartner. Der Druck auf die Autobauer steige damit, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Mehr Konsum und Generierung digitaler Inhalte im Auto machten zum Beispiel ausgeklügelte Infotainmentsysteme notwendig, was nicht nur bessere Prozessoren, Grafik-Software oder Touch-Displays benötige, sondern auch Hightech wie Schnittstellen zur Kommunikation zwischen Mensch und Maschine. Dazu gehört etwa die Bedienung per Sprachbefehl.
Kein Wunder, dass zum Beispiel der Autozulieferer Continental schon Partnerschaften mit Größen der IT-Branche pflegt: Der Netzausrüster Cisco gehört dazu, ebenso wie IBM Spezialist für riesige Datenberge. Insofern dürfte der Austausch zwischen den IT-Größen und den Autobauern enger werden. Die seit Monaten kursierenden Spekulationen über eine Kooperation zwischen BMW und Apple blieben bisher unbestätigt. „Wir sind regelmäßig mit Unternehmen aus der internationalen IT-Branche im Austausch – das gilt auch für Apple“, sagte BMW-Chef Harald Krüger jüngst. Dabei gehe es um die Vernetzung, ließ er durchblicken.
Problem Partnerschaft
Am Anfang war die Euphorie, die Katerstimmung kam am Ende. Deutschlands Autobauer sind schon viele Partnerschaften eingegangen – und alle sind sie gegen die Wand gefahren. Volkswagen: Europas größter Autobauer Volkswagen und Suzuki schlossen 2009 eine Art Ehe und besiegelten sie mit gegenseitigen Anteilskäufen. 2011, ausgerechnet zum Start der Branchenmesse IAA, war der Ofen dann aus, dem heftigen Streit folgte Schweigen. Inzwischen liegt der Fall in London vor einem Schiedsgericht. Die Japaner wollen den Suzuki-Anteil von 19,9 Prozent zurück sowie Schadenersatz.
Die Wolfsburger machen Gegenansprüche geltend. Eine Entscheidung soll es noch 2015 geben. Auch eine andere Kooperation der Wolfsburger brachte schon Ärger: Die VW-Nutzfahrzeuge lassen den Großtransporter Crafter bisher noch von Mercedes in Auftragsfertigung produzieren. Das Modell ist praktisch baugleich mit dem Mercedes-Sprinter. Und von dem setzten die Schwaben 2014 viermal so viele ab wie die Wolfsburger. Die trieben ihrerseits eine Entwicklung in Eigenregie voran, was zu Verstimmungen führte. Ab Herbst 2016 baut VW nun einen Crafter-Nachfolger in Eigenregie.
Daimler: Die 1998 als „Hochzeit im Himmel“ bejubelte Ehe mit Chrysler endete 2007 mit dem Verkauf. Die Pläne waren groß – die Enttäuschungen am Ende auch. Nach Milliardenverlusten gaben die Schwaben Chrysler an den Finanzinvestor Cerberus ab und wurden damit auch milliardenschwere Pensions- und Gesundheitskosten los.
BMW: Auf der Suche nach Sparchancen über den Hebel größerer Stückzahlen endete für BMW ein Lösungsversuch fatal: Die Münchner kauften 1994 den Massenhersteller Rover – auch, um ihr Volumenproblem anzugehen. Der Versuch scheiterte, Briten und Bayern kompatibel zu machen. Rover wurde ein Milliardengrab. BMW stieg 2000 wieder aus. Text/FOTO: dpa