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WASHINGTON
Geldschleusen bleiben offen
578222885       -  Wende vertagt: Trotz einer zunehmend robusten US-Wirtschaft will Fed-Chefin Janet Yellen nicht an den Zinsen rütteln.
Foto: Brendan Smialowski, dpa | Wende vertagt: Trotz einer zunehmend robusten US-Wirtschaft will Fed-Chefin Janet Yellen nicht an den Zinsen rütteln.
reda
 |  aktualisiert: 18.09.2015 16:47 Uhr

Die Zinswende in den USA bleibt vorerst aus. Noch scheuen sich die Geldpolitiker um Fed-Chefin Janet Yellen, erstmals seit Jahren wieder am Geldhahn zu drehen. Allerdings könnte die US-Notenbank noch in diesem Jahr handeln – und damit auch die Konjunktur im Euroraum anschieben. Seit Ende 2008 liegen die Zinsen in den USA, zu dem Banken Zentralbankgeld leihen können, auf dem Tief zwischen null und 0,25 Prozent.

Warum hat die Fed die Zinsen diesmal nicht angehoben?

Ein Hauptgrund sind die jüngsten Turbulenzen an den Finanzmärkten. Im August hatte ein Kurssturz in China Europas Börsen in einen Abwärtsstrudel gezogen und an der Wall Street für massive Verluste gesorgt. „Wir achten insbesondere auf China und aufstrebende Märkte“, sagt Yellen. Die Fed spricht von „globalen wirtschaftlichen und finanziellen Entwicklungen“, die den Aufschwung gefährden könnten.

Spielt das die Hauptrolle für die Entscheidung der Notenbanker?

Nein. Am wichtigsten sind hohe Beschäftigung und ein stabiles Preisniveau. Die Inflation liegt deutlich unter dem Zielwert von zwei Prozent, und vom Arbeitsmarkt kommen trotz hoffnungsvoller Zeichen zwiespältige Signale. Aus Sicht von Ökonomen wie Deutsche-Bank-Chefvolkswirt David Folkerts-Landau ist eine Zinserhöhung angesichts der US-Konjunktur aber überfällig: „Die US-Wirtschaft dürfte weiter kräftig wachsen, es herrscht praktisch Vollbeschäftigung und die Inflation, obwohl auf niedrigem Niveau, sollte sich in Richtung Zielwert der Fed von zwei Prozent bewegen.“

Also geht die Spekulation um die Zinswende weiter?

Die Mehrzahl der Notenbanker ist der Meinung, dass die Fed das Ende ihrer Nullzinspolitik noch dieses Jahr einläuten sollte. Der Offenmarktausschuss tagt bis Jahresende noch zweimal: Ende Oktober und am 16. Dezember. Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank, erwartet spätestens im Dezember die Zinswende: „Reagieren Janet Yellen und ihre Kollegen auch nicht zum Jahresende, verspielen die Notenbanker ihre Glaubwürdigkeit.“

Warum sind die Zinsen überhaupt auf dem Rekordtief?

Mit den Mini-Zinsen hatte die Fed auf die Finanzkrise von 2008 und die folgende Rezession reagiert. Bei niedrigen Zinsen investieren Unternehmen tendenziell mehr, Verbraucher geben mehr Geld aus. Das schiebt die Konjunktur an.

Welche Folgen hätte

eine Zinserhöhung?

Höhere Zinsen verhindern Blasen etwa an Immobilien- und Aktienmärkten sowie eine zu hohe Inflation. Banken verleihen mehr Geld, statt es zu parken. Für viele Sparer sind Zinserträge auch eine wichtige Einnahmequelle. Allerdings würde der Dollar an Wert gewinnen, wenn gleichzeitig andere Notenbanken auf Null-Zins-Kurs bleiben. Das hätte zwei Konsequenzen, betont Targobank-Chefvolkswirt Otmar Lang: „Zum einen brächen die US-Exporte weg, zum anderen würden aus den Schwellenländern sehr hohe Geldbeträge abfließen und dort einen dramatischen konjunkturellen Einbruch herbeiführen. Und das könnte die gesamte Weltwirtschaft schwer in Mitleidenschaft ziehen.“

Wird die EZB die Zügel im Euroraum bald anziehen?

Nein. Die Europäische Zentralbank (EZB) wird die Geldschleusen noch lange weit geöffnet und den Zins nahe der Nulllinie lassen. EZB-Präsident Mario Draghi hat sogar weitere Lockerungen in Aussicht gestellt. Liane Buchholz vom Bundesverband Öffentlicher Banken (VÖB) rechnet frühestens 2017 mit einem ersten Zinsschritt: „Die extreme Niedrigzinsphase in Europa wird uns noch länger begleiten.“ Das ist gut für Häuslebauer, die ihre Immobilie extrem günstig finanzieren können. Aber es ist schlecht für Sparer, weil vermeintlich sichere Anlagen kaum Geld abwerfen.

Was würde eine Zinserhöhung in den USA für Europa bedeuten?

Steigen die Zinsen in den Vereinigten Staaten, aber nicht in Europa, gewinnt der Dollar gegenüber dem Euro an Wert. In Dollar gehandelte Importe wie Rohstoffe werden als Folge im Euroraum teurer. Das stärkt den mickrigen Preisauftrieb. Gleichzeitig werden hiesige Produkte auf dem Weltmarkt günstiger. Das befeuert den Export und die Konjunktur im Euroraum.

Die US-Notenbank Fed

Organisation: Das Federal Reserve System – kurz Federal Reserve oder einfach Fed – ist die Notenbank der USA. Die mächtige Organisation kontrolliert einige der wirtschaftlichen Stellschrauben der Vereinigten Staaten. Ihre Entscheidungen haben oft unmittelbaren Einfluss auf die weltweite Geld- und Wirtschaftspolitik.

Leitung: Präsidentin der Fed ist Janet Yellen (69). Sie ist die erste Frau an der Fed-Spitze in der 100-jährigen Geschichte der Zentralbank.

Aufgaben: Die 1913 vom amerikanischen Kongress gegründete staatliche Organisation leitet die US-Geldpolitik. Außerdem kontrolliert und reguliert sie die Banken des Landes und beeinflusst die Bedingungen für die Kreditvergabe. Übergeordnete Ziele der Fed sind eine möglichst hohe Beschäftigung, stabile Preise sowie günstige Zinsen. Text: dpa

 
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