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WÜRZBURG
Geldanlagen: Raus aus der Inflationsfalle
Das Gespräch führte Michael Kerler
 |  aktualisiert: 11.12.2019 18:43 Uhr

Längst müssten in Europa die Zinsen wieder steigen, fordert der Chefvolkswirt der Deutschen Vermögensberatung, Ralf-Joachim Götz. Leider sei dies aber so schnell nicht in Sicht. Trotzdem, sagt er, können die Bürger ihr Geld noch gewinnbringend anlegen.

Frage: Herr Götz, wie lange müssen sich Sparer noch mit den Niedrigzinsen herumschlagen?

Ralf-Joachim Götz: Wir befinden uns in einer sehr lang anhaltenden Zinssenkungsphase, die – mit Unterbrechungen – bereits seit 1981 andauert. Damals gab es auf Bundesanleihen mal 10,75 Prozent. Inzwischen sind wir auf Nullzinsen heruntergekommen. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Zins in absehbarer Zeit auf die einstige Höhe steigt, ist äußerst gering. Die Verschuldung vieler Staaten ist zu hoch, als dass sie so einen Zinsdienst leisten könnten.

In den USA hat die Notenbank aber eben den Leitzins auf bis zu 1,25 Prozent erhöht. Kommt eine Zinswende bald auch in Europa?

Götz: Die amerikanische Notenbank hatte Ende 2015 – erstmals seit neun Jahren – den Leitzins angehoben. Seitdem folgten weitere Erhöhungen, obgleich die Wirtschaftsleistung in den USA zuletzt etwas schwächer gestiegen ist als in vielen Ländern Europas.

In der Vergangenheit sind die europäischen Zinsen den amerikanischen mit einer Zeitverzögerung gefolgt. Die Zinswende wird behutsam kommen. Noch ist davon wenig zu spüren. Für den Sparer ist die aktuelle Lage bitter. Wer eine Immobilie erwirbt, für den ist das dagegen positiv.

Die Inflation in Europa ist wieder spürbar. Müsste EZB-Chef Mario Draghi da nicht mit steigenden Zinsen reagieren?

Götz: Es ist Zeit für eine Zinswende. Es ist nicht die oberste Aufgabe der Europäischen Zentralbank, Wirtschaftspolitik zu betreiben, sondern das Preisniveau stabil zu halten. Zudem wird die Wirtschaft Europas meines Erachtens zu schlecht geredet. Europa hat sich stärker erholt, als manche glauben mögen.

Wie kann der Sparer denn die Zeit überbrücken, bis die Zinsen steigen?

Götz: Eines vorneweg: Als Faustformel kann gelten, dass man etwa zwei Monatsgehälter auf dem Tagesgeldkonto parken sollte – falls etwa die Waschmaschine kaputtgeht, das Auto streikt oder der nächste Urlaub ansteht. Der Rest kann gegebenenfalls längerfristig angelegt werden. Das hängt natürlich von den persönlichen Wünschen sowie der eigenen Risikobereitschaft ab. Die meisten sagen, dass sie zuerst Rücklagen bilden wollen, dann kommen schon die Ziele Altersvorsorge und der Kauf einer Immobilie.

Selbst Schüler nennen als langfristiges Ziel den Traum von den eigenen vier Wänden. Je nach persönlichem Ziel sollte man sein Geld anlegen.

Was also raten Sie den Leuten, die für ihre Ziele sparen wollen?

Götz: Wichtig ist zu wissen, was nicht mehr gut funktioniert. Nämlich Geld unter das Kopfkissen zu legen.

Die Deutschen haben noch Geld unter dem Kopfkissen?

Götz: Sinngemäß ja. Die Bargeldhaltung der privaten Haushalte ist von Anfang 2015 bis Ende 2016 um gut 30 Prozent auf über 165 Milliarden Euro geklettert. Das sind durchschnittlich etwa 2000 Euro pro Kopf, die so keine Zinsen bringen. Wenn Preise nicht steigen, beschert eine sichere und kostenlose Bargeldverwahrung keine realen Verluste. Aktuell haben wir aber eine Inflationsrate von 1,5 Prozent. Zu viel Geld liegt auch auf Girokonten und Sparbüchern, die ebenfalls keine nennenswerten Erträge bringen oder sogar negativ verzinst wurden.

Wie kommt man aus der Inflationsfalle heraus?

Götz: Es gibt keine risikofreien Zinsen mehr. Die Menschen müssen anders über Geldanlagen denken. Viele haben Angst vor dem Risiko. Aber bei einer langfristigen Betrachtung sind Verlustrisiken mit einem gut gemischten internationalen Aktienportfolio – am besten mit Aktienfonds – nahezu ausgeschlossen. Das haben Experten errechnet.

Lange galt VW an der Börse als grundsolide. Dann kam der Diesel-Betrug, die Aktie brach ein. Was sagen Sie da Anlegern?

Götz: Ja, einzelne Werte können stark schwanken. So ist der Deutsche Aktienindex seit Jahresanfang um etwa zehn Prozent gestiegen. Theoretisch wurde so aus 1000 Euro rund 1100 Euro. Praktisch konnte es aber sein, dass man aus der „Aktie A“ über 1500 Euro gemacht hat, aus der „Aktie B“ weniger als 950 Euro. Überraschungen und Schwankungen gibt es immer. Die Anlageklasse Aktie insgesamt bringt aber auf lange Sicht mehr als andere Anlageformen. Der seit 1988 berechnete Dax hat inklusive Dividenden pro Jahr durchschnittlich um rund neun Prozent zugelegt.

Wie kann man das Risiko ausgleichen?

Götz: Zum einen muss man die Anlage über Branchen hinweg streuen. Zum anderen sollte man zu verschiedenen Zeitpunkten kaufen. Das gelingt zum Beispiel mit einem Aktienfondssparplan. Wer so beispielsweise Teile des Kindergeldes für den Nachwuchs anlegt, dürfte erstaunt sein, was nach 18 Jahren rauskommt. Aber auch wer nach einer Erbschaft Geld anzulegen hat, sollte nicht alles sofort investieren, sondern unterschiedliche Einstiegszeitpunkte wählen. An der Börse kann es auch ein, zwei, drei Jahre mal nicht so gut laufen. Auf jeden Fall sollte man sich vor einer solchen Anlage persönlich beraten lassen.

Der Dax liegt wieder deutlich über 12 000 Punkten. Erwartet man da nicht langsam so einen Rückschlag?

Götz: Die Frage ist, was die Alternativen sind? Auf Konten gibt es kaum Zinsen. Anleihen sind mit Kursrisiken verbunden, wenn die Zinsen steigen. Die deutschen Aktiengesellschaften stehen insgesamt gut da.

Mal ehrlich, wie viel Geld muss man mitbringen, damit das Engagement an der Börse eine Option ist?

Götz: Eine Direktanlage in Aktien kann Spaß machen, dann braucht man aber Kapital, um breit streuen zu können. Und Zeit und Fachwissen, um sich mit den Märkten auseinanderzusetzen. Wer es bequemer und risikoärmer haben will, setzt auf einen Fondssparplan. Und da kann man auch schon mit 25 Euro pro Monat dabei sein.

Gemanagte Fonds haben aber meist höhere Kosten. Schließlich muss der Fondsmanager bezahlt werden.

Götz: Für den ein oder anderen mögen Fonds sinnvoll sein, die nur einen Aktienindex abbilden und diese Kosten nicht haben – sogenannte ETFs. Aber auch ETFs sind in der Verwaltung nicht kostenlos und bringen damit nicht unbedingt die erwarteten Ergebnisse. Zudem sind Sie da passiv mit dem Autopiloten unterwegs und machen alle Marktschwankungen mit. Wenn dagegen größere Turbulenzen bei Einzelwerten vorherzusehen sind, kann ein aktiver Pilot – ein Fondsmanager – gegensteuern und absturzgefährdete Titel meiden oder aussortieren.

Die Bundesregierung hat aktuell die Betriebsrente gestärkt. Rentiert sich das neue Angebot?

Götz: Sie wird für viele interessanter. Sofern Menschen im Rentenalter tatsächlich nur die staatliche Grundsicherung beziehen, wurde ihnen bislang eine Betriebs- oder Riester-Rente darauf angerechnet. Künftig wird es aber einen Freibetrag geben. Das ist ein sehr gutes Signal. Zudem werden auch die Zulagen zur Riester-Rente von 154 Euro auf demnächst 175 Euro angehoben. Das ist wiederum ein klares Bekenntnis zur Riester-Rente.

Die Riester-Rente steht aber massiv in der Kritik – auch wegen der hohen Gebühren.

Götz: Kosten sind ein Thema. Die Riester-Rente hat allerdings durch die staatliche Förderung Vorteile. In vielen Lebenssituationen – zum Beispiel Eltern mit kleinen Kindern oder eine alleinerziehende Mutter mit geringem Einkommen – kann es sein, dass man nur zehn bis 20 Prozent der Beiträge selbst zahlt und den Rest der Staat. Ich finde, die Riester-Rente wird insgesamt zu Unrecht kritisiert.

Manche Leute investieren in Gold, weil sie Zweifel am Euro haben. Glauben Sie an die Zukunft des Euro?

Götz: Ja, ich glaube an den Euro und an seine Zukunft. Und im Verhältnis zu anderen Währungen steht er aktuell gut da.

sparschwein       -  Anlagenotstand: Heutzutage gibt es keine risikofreien Zinsen mehr, die Menschen müssen anders über Geld denken.
Foto: Markus Glombitza | Anlagenotstand: Heutzutage gibt es keine risikofreien Zinsen mehr, die Menschen müssen anders über Geld denken.
 
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