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BERN
Gefängnis für Gier
Von dpa-Korrespondent Thomas Burmeister
 |  aktualisiert: 11.12.2019 19:59 Uhr

Von Novartis bis Nestlé, von Roche bis zur UBS – in Schweizer Weltkonzernen geht Angst vor dem Volk um. Bald schon werden die Eidgenossen die Möglichkeit zu einer Entscheidung haben, um die Bürger anderer Länder sie beneiden könnten: Soll der Staat mit den Mitteln der Justiz gegen Gehaltsexzesse in Chefetagen vorgehen und allzu gierige Manager mit Gefängnis bestrafen? Nie zuvor war ein Urnengang in der an Referenden reichen Alpenrepublik so umkämpft, wie der zur Volksinitiative „gegen die Abzockerei“. Für das Wirtschaftsmagazin „Bilanz“ tobt zwischen Matterhorn und Bodensee gar „die heftigste Schlacht der jüngeren Schweizer Wirtschaftsgeschichte“.

Abgestimmt wird am 3. März. Wenn die nach ihrem Vorkämpfer, dem mittelständischen Unternehmer und parteilosen Abgeordneten Thomas Minder benannte „Minder-Initiative“ durchkommt, dürfte sich die Chefetagen-Kultur börsennotierter Schweizer Unternehmen erheblich ändern. Nach den Vorschlägen des „modernen Wilhelm Tell“, wie Minder von Anhängern genannt wird, sollen die Aktionäre und nicht mehr die Konzernvorstände das letzte Wort über Manager-Vergütungen haben. Dem verbindlichen und öffentlichen Votum der Anteilseigner sollen sich Großunternehmen jährlich nach Neuwahlen des Verwaltungsrates unterwerfen müssen. Für größere Aktionärsgruppen wie Pensionskassen soll eine gesetzliche Pflicht zur Abstimmung gelten, so dass das Ergebnis nicht durch Absprachen über Enthaltungen beeinflusst werden könnte. Zudem sollen Sonderboni für Spitzenmanager – wie das 2012 gezahlte „Begrüßungsgeld“ von vier Millionen Franken (heute 3,27 Millionen Euro) für Ex-Bundesbanker Axel Weber bei dessen Antritt als UBS-Präsident – verboten werden. Zuwiderhandlungen werden laut Initiative „mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren und Geldstrafe bis zu sechs Jahresvergütungen bestraft“. Damit würde die bislang als besonders wirtschaftsliberal geltende Schweiz das schärfste Aktienrecht der Welt bekommen. Unisono warnen Unternehmen, dass so weitgehende Einschränkungen der Handlungsfähigkeit von Vorständen der internationalen Wettbewerbsfähigkeit Schweizer Konzerne schweren Schaden zufügen würden.

Einmal mehr wird die Keule „Drohender Jobverlust“ geschwungen. Minders Kritiker weisen aber auch darauf hin, dass jährliche Verwaltungsratswahlen sich ungewollt als eine Art Einfallstor für Hedgefonds und „Heuschrecken“-Investoren erweisen könnten, die Schweizer Unternehmen unter ihre Kontrolle bringen wollen.

Bislang ist der Ausgang des „Abzocker“-Referendums ungewiss. Als Minder seine Initiative vor fünf Jahren startete, war die Zustimmung groß. So groß wie die damalige Empörung über Millionen-Boni für Banker, die man als Hauptschuldige an der Finanzkrise ausgemacht hatte. Inzwischen jedoch deuten Umfragen auf wenig mehr als 50 Prozent Ja-Stimmen hin – bei Tendenz nach unten. Schweizer Medien führen das auf die Wirkung einer Kampagne des Wirtschaftsdachverbandes Economiesuisse zurück.

 
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