Kostenlos Bargeld am Automaten der Hausbank abheben – das könnte nach Ansicht von Finanzexperten in Deutschland bald der Vergangenheit angehören. „Eine kostenlose Bargeldversorgung wird es künftig nicht mehr geben“, sagt der Volkswirt Dirk Schiereck, Professor am Lehrstuhl für Unternehmensfinanzierung an der Technischen Universität in Darmstadt, gegenüber unserer Zeitung. Der Experte geht davon aus, dass die deutschen Kreditinstitute künftig flächendeckend für das Abheben von Bargeld am Automaten Gebühren verlangen – in Skandinavien gebe es solche Entgelte bereits. „Die ersten Banken werden ab 2018 vorpreschen“, ist sich Schiereck sicher. Nach und nach würden dann andere Häuser nachziehen. In vielen Banken gebe es bereits entsprechende Gedankenspiele. Gerade für Institute mit breitem Filialnetz sei die Bargeldversorgung ihrer Kunden mit hohen Kosten verbunden. Max Herbst von der FMH-Finanzberatung glaubt, dass es bei Filialbanken eine monatliche Gebühr geben wird, wie er in der Bild-Zeitung sagt: „Buchungen wie beispielsweise Überweisungen, Bargeldversorgung oder Daueraufträge werden etwas kosten.“
Als Grund für die Gebühreneinführung nennt Schiereck die anhaltende Niedrigzins-Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) und daraus resultierende Einnahmeausfälle aus dem Zinsgeschäft. „Bisher wurden die Kosten für Geldautomaten über die Zinsen der Spareinlagen quersubventioniert“, erläutert der Experte. Ein Automat in einem Supermarkt koste einem Betreiber beispielsweise 300 bis 350 Euro Miete. „Zudem muss das Gerät gewartet und täglich befüllt werden.“ Gebühren für Bargeld würden Banken aber nicht nur als Einnahmequelle dienen, meint der Finanzexperte. „Sie sind ein Anreiz für die Kunden, bargeldlos zu bezahlen“, sagt Schiereck, „für die Banken ein erheblicher Vorteil.“ Auch hier verweist Schiereck nach Nordeuropa. In Schweden werden nach seinen Worten bereits 90 Prozent der Transaktionen digital durchgeführt. „Daher gibt es dort bereits in der Hälfte der Bankfilialen kein Bargeld mehr.“
„Auch bei uns werden immer mehr Geschäfte digital abgewickelt“, bestätigt Eva Mang, Sprecherin des bayerischen Sparkassenverbands. Einen signifikanten Rückgang des Bargeldverkehrs gebe es aber nicht. Bisher sei für Sparkassen-Kunden mit einem gewöhnlichen Girokonto die Auszahlung an den hauseigenen Automaten und am Schalter umsonst. Von Plänen, künftig Geld für das Abheben von Scheinen zu verlangen, wisse sie nichts, sagt Mang. Die Commerzbank, die neben Deutscher Bank, Hypovereinsbank und Postbank zur sogenannten Cash-Group gehört, plant nach eigenen Angaben für Privatkunden aktuell ebenfalls keine Einführung eines Entgelts. Auch Kunden der Volks- und Raiffeisenbanken drohen laut bayerischem Genossenschaftsverband keine Gebühren am Geldautomaten. Der „extreme geldpolitische Kurs der EZB und unverhältnismäßige regulatorische Vorschriften“ würden aber alle Kreditinstitute erheblich belasten.
Vergangene Woche hatte die VR-Bank Niederschlesien aus diesem Grund erstmals eine monatliche Gebühr für Tagesgeldkonten unabhängig von der Höhe des Sparguthabens eingeführt. Nach Ansicht des Bankenverbands BdB müssen sich Verbraucher generell auf höhere Gebühren einstellen. Strafzinsen würden sich aber nicht durchsetzen. „Wir haben in Deutschland einen extrem harten Wettbewerb, der wird dafür sorgen, dass die Gebühren nicht in den Himmel wachsen“, sagt Hauptgeschäftsführer Michael Kemmer.