Die Stimmung in den deutschen Chefetagen ist wieder gesunken – Grund zu Konjunktursorgen gibt es aber nur bedingt. Zwar fiel der wichtige Ifo-Geschäftsklimaindex im Juni deutlicher als von Ökonomen erwartet auf den tiefsten Stand seit Dezember, die andauernde Krise in der Ukraine und der Irak-Konflikt lassen die Unternehmen aber weitgehend unbeeindruckt – zumindest was die Bewertung ihrer aktuellen Lage angeht. Der Blick auf die kommenden Monate fällt hingegen deutlich skeptischer aus als vor vier Wochen.
„Die deutsche Wirtschaft befürchtet mögliche Auswirkungen der Krisen in der Ukraine und im Irak“, erklärte Ifo-Chef Hans-Werner Sinn am Dienstag in München die gedämpfte Stimmung. Vor allem die Erwartung für das nächste halbe Jahr drückte den Ifo-Index.
Der Wert sank von 106,2 auf 104,8 Punkte, während die Beurteilung der Lage bei 114,8 Punkten stabil blieb. Der Index insgesamt ging leicht um 0,7 auf 109,7 Punkte zurück. Wie sehr die angespannte Lage in Teilen der Welt die Firmen beeindruckt, ist aber nur schwer zu sagen.
„Natürlich denkt man sofort an die Ukraine-Krise oder den Vormarsch islamistischer Verbände im Irak, um den erneuten Rückgang des Ifo-Geschäftsklimas zu erklären. Letztlich sind das Spekulationen“, sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer.
Vielmehr zeige sich, dass manche europäische Nachbarn nur langsam vorankommen würden. „Die hinter dem Ifo-Geschäftsklima stehende Eintrübung der Weltkonjunktur spricht dafür, dass sich der Rest des Euroraums weiter nur sehr schleppend erholt“, sagte Krämer.
Das sieht auch das Ifo Institut ähnlich: „Im Auftragsbuch spiegelt sich die Ukraine-Krise noch nicht wieder“, sagte Konjunkturexperte Klaus Wohlrabe.
Die aktuelle Lage in dem Land verursache jedoch Unsicherheit vor allem bei jenen Firmen mit wirtschaftlichen Beziehungen nach Russland. Ein möglicher Einfluss des Irak-Konflikts sei erst in den kommenden Monaten ersichtlich. Die Befürchtungen sind, dass der Ölpreis nachhaltig steigen könnte.
Konjunkturexperte Thomas Gitzel von der VP-Bank sprach von einem erwartbaren leichten Knick. „Eine gesunde Konjunkturzuversicht kann dennoch attestiert werden. Die Grundbotschaft lautet: Nach dem fulminanten Wachstum im ersten Quartal dürfte die deutsche Wirtschaft in den kommenden Quartalen einen gemächlicheren Gang einschlagen“, sagte er. Im internationalen Vergleich aber bleibe sie äußerst robust. Auch im Vergleich mit den 105,9 Punkten aus dem Vorjahr schneidet die momentane Stimmung gut ab.
Tatsächlich verschlechterte sich die Laune im Juni nur in der Industrie. „Die Exportaussichten der Unternehmen trübten sich zwar deutlich ein, doch blieben sie mehrheitlich optimistisch“, sagte Sinn. In der Bauwirtschaft sowie im Handel konnte sich das Geschäftsklima sogar verbessern.
Der Ifo-Index hält sich bereits seit März 2010 über der Marke von 100 Punkten, in den schwersten Zeiten der Finanzkrise war er weit darunter gefallen. Vor dem Minus im vergangenen Monat hatte es den letzten kleinen überraschenden Aufschwung im April gegeben.
Volkswirte sprechen erst nach drei gleichartigen Änderungen hintereinander von einer möglichen Trendwende. Der Ifo-Index wird monatlich durch die Befragung von rund 7000 Unternehmen ermittelt.
Frage nach der Stimmung
Das Münchner Ifo Institut ermittelt jeden Monat den Geschäftsklimaindex. Der Index gilt als wichtiges Frühwarninstrument für die Entwicklung der deutschen Wirtschaft. Lange bevor sich das Auf und Ab in amtlichen Zahlen niederschlägt, bilden die Daten recht zuverlässig die Lage ab. Dafür befragen die Wirtschaftsforscher des Ifo Instituts einmal pro Monat rund 7000 Firmen – von kleinen Geschäften bis hin zu großen Konzernen. Rund ein Dutzend Fragen werden zur Einschätzung der aktuellen Lage und zu den Erwartungen für die nächsten sechs Monate gestellt. Erstellt werden drei Indizes zum Geschäftsklima, zur Lage und zu den Erwartungen. Text: dpa