Die Liste der Befürworter einer Zerschlagung großer Banken wird immer länger: Der Chef der Münchener Rück, Nikolaus von Bomhard, gehört dazu, der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sowieso und jetzt auch der frühere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück. Sie alle eint die Vorstellung, dass das riskante Investmentbanking der Grund allen Übels in der Finanz- und Schuldenkrise ist, daher fordern sie eine Abspaltung großer Teile des Kapitalmarktgeschäfts. Doch sind derartige Trennbanken sicherer als Universalbanken, die alles unter einem Dach anbieten?
Viele Experten bezweifeln das. Sie halten Geldhäuser gerade wegen ihrer breiten Aufstellung für stabil. Und Spezial-Institute sind tatsächlich anfälliger. Das zeigen bekannte Pleitefälle in der Krise, wie die Investmentbank Lehman Brothers und der Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate. „Trennbanken sind ein Pseudo-Allheilmittel“, sagt Hans-Peter Burghof, Bankenexperte von der Universität Stuttgart-Hohenheim.
SPD-Chef Gabriel geht es mit seinen entsprechenden Forderungen im Wahlkampf vor allem um das Geld der Sparer. Diese dürften nicht von den Investmentbankern „verzockt“ werden, mahnt er. Daher sei es nötig, die Kapitalmarktaktivitäten vom klassischen Kreditgeschäft mit Privat- und Firmenkunden abzuspalten. Steinbrück, der am Mittwoch sein Konzept zur Regulierung des Finanzsektors vorgelegt hat, will die beiden Bereiche auch trennen – aber unter dem Dach einer Holding. Eine Deutsche Bank etwa bliebe diesen Plänen zufolge als Ganzes erhalten, aber die einzelnen Sparten wären rechtlich eigenständige Einheiten. Durch eine solche Aufspaltung könne das Investmentbanking im Pleitefall getrennt abgewickelt werden – zulasten der Aktionäre und nicht des Steuerzahlers, sagt der haushaltspolitische Sprecher der SPD, Carsten Schneider, im ARD-Morgenmagazin.
Das alles ist nach Burghofs Ansicht einfacher gesagt als getan. „Eine saubere Trennung von Risiken gibt es bei Banken nicht.“ Zudem könne niemand vorhersagen, wo die nächsten Risiken herkämen. So hätten bis vor kurzem europäische Staatsanleihen noch als die sicherste Anlage der Welt gegolten – und heute sitzen die Banken deswegen auf Milliardenlasten. Vor allem im angelsächsischen Raum ist die Debatte um Trennbanken angesichts der jüngsten Finanzskandale wieder voll entbrannt – die USA hatten ein solches System jahrelang gesetzlich vorgeschrieben. Großbritannien verschärft gerade die Regeln: Im Mutterland des Kapitalismus müssen die Banken ihr Privatkundengeschäft künftig organisatorisch und kapitalseitig von spekulativen Geschäften abschirmen. Für Burghof ist so etwas praktisch nicht umsetzbar. „Wenn es eine zentrale Führung einer Bank gibt, dann wird es immer Mittel und Wege geben, Spareinlagen hin- und herzuschieben“, sagt er.
Das deutsche Bankensystem baut traditionell auf dem Prinzip der Universalbank auf. Die Idee dahinter: Die Institute sollen der mittelständischen Wirtschaft eine Rundumbetreuung anbieten. Die klassische Hausbank einer Firma ist nicht nur Kreditgeber, sondern ebnet oft auch den Weg an den Kapitalmarkt. „In Deutschland haben wir erlebt, wie wichtig Universalbanken waren“, betont Sparkassenpräsident Georg Fahrenschon. Der Hauptgeschäftsführer des Verbands der privaten Banken, Michael Kemmer, hält eine Aufspaltung von Banken für ein Placebo. „Das ist gegen die Interessen der deutschen Wirtschaft“, betonte er im ARD-Morgenmagazin. Ähnlich sieht es Wolfgang Gerke, Direktor des Bayerischen Finanzzentrums: „Aufspaltungen lösen kein Problem“, sagt er. „Eine Deutsche Bank zum Beispiel profitiert gerade davon, dass sie die Risiken streuen kann.“ Spaltete man das Investmentbanking des größten deutschen Geldhauses ab, bekäme man ein neues Institut, das ein Risiko für das System darstelle. Dann wäre plötzlich dieses neue Geldhaus 'too big to fail', sprich zu wichtig, um pleitegehen zu können. „Dann müsste im Insolvenzfall doch wieder der Staat einspringen.“ Denn oft ist nicht die schiere Größe einer Bank das Kernproblem, sondern der Grad der Vernetzung – und hier sind Investmentbanken ganz vorne. Ohne die Stabilität des Privatkundengeschäfts wären große Universalbanken wie die Deutsche Bank oder JP Morgan nicht ansatzweise so gut durch die Krise gekommen – schrieben die Kapitalmarktsparten doch teilweise hohe Verluste.
Eine weiteres Problem: Wie lässt sich eine solche Abspaltung praktisch umsetzen? Denn Investmentbanking und klassisches Bankgeschäft sind zumeist so stark verwoben, dass eine Abtrennung kaum möglich ist. „So schön und schlank das klingt, halte ich das im laufenden Geschäftsbetrieb für unrealistisch“, sagt Allianz-Chef Michael Diekmann. Einfacher wäre es da, wenn man alles eindampfen und komplett neue Privatkunden- und Investmentbanken aufbauen könnte. Doch diese Radikallösung hat bislang noch niemand vorgeschlagen – auch nicht Gabriel.
Getrennt oder gemeinsam – Bankenmodelle in der Diskussion
Trennbankensystem: Es war bis Ende der neunziger Jahre das gängige Modell in den USA. Investmentbanken und Geschäftsbanken existieren nebeneinander. Risiken der Investmentbanken werden allein von ihren Investoren getragen. Refinanzieren müssen sie sich über den Kapitalmarkt, weil sie keine Kundenkonten führen dürfen. Bei der in den USA üblichen Finanzierungsstruktur ist das für die Firmenkunden kein Problem: Sie finanzieren sich ohnehin über den Kapitalmarkt
Steinbrücks Holding-Vorschlag: Unter dem Dach einer Holding sollen zwei getrennte Institute nebeneinander existieren – eine Investmentbank und eine Privatkundenbank. Gerät die Investmentbank in Schieflage, kann sie abgetrennt und abgewickelt werden, weil sie sich nicht mit den Spargeldern der Privatkunden refinanziert. Der Steuerzahler muss nicht einstehen. Doch das beschränkt die Möglichkeit der Investmentbanken, sich zu refinanzieren. In jedem Fall würde sie teurer. Das Vickers-Modell: Mehr als 60 Milliarden Pfund kostete den britischen Steuerzahler allein die Rettung von RBS und Lloyds. Jetzt werden den Banken in der Londoner City so enge Fesseln angelegt wie nirgendwo sonst: Die Vickers-Regel – benannt nach dem früheren Notenbanker John Vickers – sieht vor, in jeder Bank die Spareinlagen abzuschirmen („Ring-fencing“), um das Filialgeschäft vom Investmentbanking zu trennen. Eine Aufspaltung der Häuser wird nicht verlangt.
Universalbanken-Modell: Das traditionelle europäische Bank-Modell. Für die Kunden gibt es alles unter einem Dach – vom Sparkonto über die Baufinanzierung bis zur Beratung bei Fusionen und Übernahmen. Der Zugang zum Kapitalmarkt kann in einer Krise schnell austrocknen, die Kleinsparer ziehen ihr Geld nicht so rasch ab. Deshalb seien in der Finanzkrise Investmentbanken wie Lehman Brothers oder Spezialinstitute wie die Hypo Real Estate schneller umgekippt. text: rtr