
Es ist die Nachricht einer großen Ausnahme – eine Frau rückt in den Vorstand der Deutschen Bank auf. Seit fast 20 Jahren zählte deren Führungsgremium kein weibliches Mitglied mehr. Und auch zuvor gab es dort mit Ellen Ruth Schneider-Lenné nur eine einzige Frau, die zwischen 1988 bis 1996 für das Kreditrisiko und das internationale Geschäft zuständig war.
Das ändert sich zum 1. November, wenn Sylvie Matherat in die erste Riege des Frankfurter Instituts aufrückt. Auf dem Posten des Chief Re-gulatory Officer wird sie die Bereiche Regulierung, Kampf gegen Finanzkriminalität und Compliance, also die Einhaltung von Regeln, verantworten. Die 53-jährige Mutter dreier erwachsener Kinder gilt als europaweit gut vernetzt, als willens- und durchsetzungsstark. Die Expertin für Finanzstabilität und Regulierung wird als zweite Französin eine Schlüsselposition in Frankfurt besetzen, nachdem Daniele Nouy die Bankenaufsicht an der Europäischen Zentralbank leitet. Verstehen lässt sich Matherats Aufstieg auch als Signal der Erneuerung und des Versuchs der Deutschen Bank, die Unternehmenskultur zu verändern und das Topmanagement weiblicher zu machen. In einer freiwilligen Verpflichtung hat die Bank versprochen, bis Ende 2018 den Anteil von Frauen im gehobenen Management weltweit auf 25 Prozent zu erhöhen und den der Bankerinnen insgesamt auf 35 Prozent.
Matherat stieß erst vor gut einem Jahr zu Deutschlands größter Bank. Seither saß sie dort im 20-köpfigen erweiterten Gremium, dem Group Executive Committee (GEC), und war für die Kontaktpflege zu Regierungen und Regulierungsbehörden zuständig. Zuvor hatte sie lange bei der französischen Notenbank, der Banque de France, gearbeitet, wo sie die französischen Institute kontrollierte und während der Finanzkrise Regeln für die Banken entwarf. Auch fungierte sie als Abgesandte Frankreichs in der Basler Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, wo sie an neuen Eigenkapitalvorschriften mitwirkte. Zugleich ist ihr die Privatwirtschaft nicht fremd. Nach einem Jura- und Politik-Studium an der Elite-Hochschule Sciences Po Paris begann Matherat ihre Karriere 1985 bei der französischen Großbank Société Générale, bevor sie ein Jahr später zur Banque de France wechselte. 1993 machte sie eine zweijährige Station bei BNP Paribas. Mit ihrer Landsmännin Christine Lagarde, der früheren Finanzministerin und heutigen Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington, teilt Matherat die Liebe zum Schwimmen als Ausgleich zu ihrem anspruchsvollen Job. Doch während sich Lagarde in Interviews für Quoten und mehr Karriereförderung von Geschlechtsgenossinnen stark macht, tritt sie weniger als Feministin auf.
Bei der Deutschen Bank lobt sie die Internationalität:„Ich habe es noch nie erlebt, dass der kulturellen Vielfalt in einer Bank so viel Platz eingeräumt wird.“ Daneben sei ihre Beförderung als Frau in den Vorstand nicht so wichtig. Sie wird dort wohl nicht die Einzige bleiben: Die IT-Expertin Kim Hammonds könnte ihr folgen.