
Loungemusik wabert durch die von der Decke hängende Großstadtkulisse, cremefarben gekleidete Hostessen präsentieren glänzende Karossen, man schlürft Latte Macchiato – im Audi-Palast auf dem Frankfurter Messegelände wähnt man sich eher in einem hippen Berliner Club als auf einer Automobilmesse. Doch schon ein paar Meter weiter in den Hallen 4 und 5 der IAA geht es zu wie auf einer ganz normalen Fachmesse – seriöse Gespräche rund um technische Lösungen statt glänzender Show. Es ist die Heimat der Zulieferer, nur wenige Journalisten streifen an diesem zweiten Pressetag durch die beiden Hallen.
Dabei stammen etwa 70 Prozent der Innovationen der Branche mittlerweile von Zulieferern, ohne sie gäbe es das Kultprodukt Auto in seiner heutigen Form nicht. Bis auf die wenigen Ausnahmen wie Bosch oder Continental, die auch Produkte für Endverbraucher anbieten, kennt aber kaum ein Autokäufer die Namen der Unternehmen, die sein Auto zum Großteil entwickelt und gebaut haben. Dabei sind es, wie bei den Herstellern, nicht zuletzt deutsche Unternehmen, die in der Branche den Takt angeben.
Zulieferer zeigen sich selbstbewusst
Beispiel Brose. Das Familienunternehmen aus Coburg zählt mit 21 000 Mitarbeitern und einem 2012er Umsatz von 4,7 Milliarden Euro mittlerweile zu den Top 40 der weltweiten Autozulieferer. Dementsprechend selbstbewusst zeigt sich Brose-Chef Jürgen Otto an diesem Mittwochvormittag. „Wir haben den Anspruch, in allen unseren Produktfeldern die Nummer eins zu sein“, sagt er gegenüber der Presse. Damit meint er etwa Fensterheber oder elektrisch verstellbare Sitze. Und die vor zwei Jahren von Brose auf der letzten IAA vorgestellten berührungslosen Heckklappenöffner seien, berichtet Otto, „eingeschlagen wie eine Bombe“.
Die Stimmung bei den Zulieferern ist ziemlich gut: Ob Bosch oder Conti, ZF Friedrichshafen oder Schaeffler – die Großen der Branche wachsen kräftig. Durch die Bank werden derzeit zweistellige Wachstumsraten eingefahren, dank boomender Märkte wie China oder Nordamerika. Auch Jürgen Otto berichtet von einem 17-prozentigen Plus in den USA und gar einem Wachstum von 21 Prozent in China – dem mittlerweile zweitwichtigsten Markt für Brose weltweit. Er verschweigt aber auch nicht die „schwierige Marktsituation in Südeuropa“. Das Autogeschäft ist längst ein globales Geschäft. Geht es den Herstellern auf einem bestimmten Markt gut, profitieren auch die Zulieferer davon. Folge: Sie haben nur noch eine Chance, wenn sie ihren Kunden in die jeweiligen Märkte folgen – kein Problem für Unternehmen wie Brose, das mit 53 Standorten in 23 Ländern vertreten ist.
Auch Leoni versteht sich als globales Unternehmen. „Die Zentralen unserer vier größten Kunden befinden sich auf drei verschiedenen Kontinenten“, sagt Pressesprecher Sven Schmidt. Wie Brose ist auch der Spezialist für Kabelbäume und Bordnetzsysteme ein urfränkisches Unternehmen – die Zentrale in Nürnberg, der Sitz des Geschäftsbereichs Bordnetze in Kitzingen bei Würzburg. Franken zählt zu den Top-Zulieferregionen Deutschlands. Fast jeder der Großen der Branche ist hier vertreten. Auch ZF (mit der früheren Sachs in Schweinfurt) und Schaeffler (mit der früheren FAG Kugelfischer, ebenfalls in Schweinfurt) haben wichtige Unternehmensteile in Nordbayern. Zwar gibt es zur Gesamtzahl der Mitarbeiter bei Zulieferern in Franken keine verlässlichen Angaben. Doch geschätzt dürfte annähernd jeder Zehnte der laut Branchenverband VDA rund 290 000 Zulieferer-Mitarbeiter seinen Arbeitsplatz in Franken haben. So arbeiten etwa bei Brose an den Standorten Coburg, Bamberg – wo im kommenden Jahr für 50 Millionen Euro die neue Unternehmenszentrale entsteht – und Würzburg (Sitz des Geschäftsbereichs Elektromotoren) insgesamt rund 6400 Mitarbeiter – fast ein Drittel aller Mitarbeiter weltweit.
Innovationen made in Franken
Franken, eine Zuliefererregion der Extraklasse, das ist nicht neu. Doch die massive Präsenz der Region fällt auf. Und manch ein Fachjournalist wandert am Nachmittag dann doch noch zu den Ständen der Zulieferer auf der Suche nach den Trends von morgen. Etwa bei Schaeffler. Das Herzogenauracher Großunternehmen ist weit mehr als ein reiner Wälzlagerlieferant. So schwärmt Pressechef Jörg Walz von der Chance zur „smarten Hybridisierung“ mit 48 Volt. Ein dermaßen gestärktes Bordnetz könne mit einem zusätzlichen Antriebsmodul etwa beim Stopp-and-go-Verkehr im Stau den Verbrennungsmotor überflüssig machen. Das sei der perfekte „Einstieg ins hybride Fahren“.
Auch bei Preh in Bad Neustadt/Saale zeigt man auf der IAA Innovationen. Etwa eine Mittelkonsole, die dem Autofahrer gleich mehrere Bedienmöglichkeiten bietet – klassische Knopf-Haptik, Touchscreen und Gestensteuerung. Und im auf der IAA vorgestellten E-Mobil von BMW, dem viel umjubelten i3, sorgt Preh für die Steuerung der Batterie. Für Geschäftsführer Christoph Hummel und zwei Dutzend weitere Führungskräfte ein Grund, sich am eigenen Unternehmen zu beteiligen. „Das sorgt für Kontinuität“, so Hummel, „Preh bleibt Preh“. Auch das eine gute Nachricht auf der IAA.