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WÜRZBURG/MAINZ
Frankens Winzer fürchten den Drachen nicht
Der Drache beißt zurück:  Peking verurteilt die EU-Strafzölle und antwortet mit einem Anti-Dumping-Verfahren gegen europäischen Wein.
Foto: thinkstock | Der Drache beißt zurück: Peking verurteilt die EU-Strafzölle und antwortet mit einem Anti-Dumping-Verfahren gegen europäischen Wein.
Von unserem Redaktionsmitglied Tilman Toepfer
 |  aktualisiert: 05.06.2013 17:03 Uhr

Der Handelsstreit zwischen China und der Europäischen Union schaukelt sich weiter hoch. Chinas Handelsministerium gab am Mittwoch Dumping-Ermittlungen gegen Weine aus der EU bekannt und verurteilte zugleich die von Brüssel verhängten, vorläufigen Strafzölle gegen Solarprodukte aus China. „Die chinesische Regierung hat bereits Ermittlungen gegen Dumping und gegen Subventionen von Wein aus der EU unternommen“, schrieb das Ministerium in einer Mitteilung zu den EU-Strafzöllen auf seiner Internetseite.

Nach Zahlen der Zollverwaltung importierte China im vergangenen Jahr 290 Millionen Liter Wein aus der EU. Die Einfuhren aus der EU machen demnach etwa zwei Drittel der gesamten Importe von Wein nach China aus.

Frankens Weinbau reagiert gelassen auf die Nachrichten über mögliche Strafzölle der Chinesen. „Das ist nicht existenziell für uns“, sagt beispielsweise Robert Haller, Leiter des Bürgerspitals in Würzburg. Auch Stefan Schuster vom Weingut der Stadt Klingenberg hegt „keine gravierenden Befürchtungen“. In beiden Fällen ist der Absatz auf dem chinesischen Markt relativ niedrig. Das Bürgerspital verkauft nach Hallers Angaben „nur wenige 1000 Flaschen im Jahr“ ins Reich der Mitte, die Klingenberger haben in den vergangenen drei Jahren zusammengerechnet „nicht mehr als 10 000 Flaschen“ nach China geliefert. Nur eines würden Schuster und Haller gleichermaßen bedauern: wenn der chinesische Markt infolge eines sich verschärfenden Handelskrieges völlig wegbrechen würde.

Denn der hat sich auch für Deutschlands Weinbauern zuletzt prächtig entwickelt. Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut in Mainz nennt die „dynamischen“ Zahlen des vergangenen Jahrzehnts. Während 2002 nur 3000 Hektoliter deutscher Wein nach China exportiert wurden, waren es zehn Jahre später bereits 33 000 Hektoliter.

Im gleichen Zeitraum entwickelte sich das Geschäftsvolumen von 800 000 Euro auf knapp 13 Millionen Euro, denn der Durchschnittspreis je Liter verdoppelte sich von 1,85 auf 3,89 Euro. Freilich weiß Büscher, dass die Exportquote beim Frankenwein gering ist, verglichen zum Beispiel mit Weinen aus Rheinland-Pfalz. Insgesamt würden nur rund zwei Prozent des in Franken ausgebauten Weins ins Ausland exportiert, sagt Büscher, nur einzelne Betriebe aus dem Frankenland hätten im Reich der Mitte Fuß gefasst. Wer dort einen oder mehrere Füße in der Tür hat, sieht allerdings die Dynamik des Marktes und die Chancen, die er bietet. Es ist sicher kein Zufall, dass aktuell die Vertriebsleiter des Juliusspitals Würzburg, Kordula Geier, und der Chef des Klingenberger Weingutes, Benedikt Baltes, die Lage dort sondieren. China ist zum fünftgrößten Weinkonsumenten weltweit aufgestiegen, der Konsum wächst jedes Jahr um rund 20 Prozent. War Wein in chinesischen Supermärkten vor zehn Jahren noch eine Kuriosität, so füllt er inzwischen ganze Regale. Über die Zielrichtung möglicher chinesischer Strafzölle auf Wein aus Europa darf spekuliert werden. Möglicherweise werden Franzosen und Italiener gezielt unter Druck gesetzt, lautet eine Vermutung, schließlich hätten sich ihre Vertreter in der EU-Kommission für Strafzölle auf chinesische Photovoltaik-Module ausgesprochen. Robert Haller vom Bürgerspital Würzburg glaubt, es gehe Peking in erster Linie darum, dem Import von Massenweinen aus Europa zu drosseln. Einig sind sich die Experten, dass Franzosen und Italiener stärker von Strafzöllen betroffen wären als Deutsche, weil sie weit mehr Wein ins Reich der Mitte exportieren. 2010 stiegen allein die Geschäfte der Weinbauregion Bordeaux mit chinesischen Geschäftspartnern auf 333 Millionen Euro.

Die EU-Kommission hatte am Dienstag beschlossen, dass in den nächsten zwei Monaten vorläufige Strafzölle auf Einfuhren von chinesischen Billig-Solarmodulen und deren Komponenten von durchschnittlich 11,8 Prozent fällig werden. Am 6. August werde der Extrazoll dann auf die vollen 47,6 Prozent steigen. Wegen des hohen Marktwerts der Einfuhren von geschätzt 21 Milliarden Euro pro Jahr ist der Streitfall beispiellos. Die Strafzölle auf Billigimporte aus China sollen Europas kränkelnder Solarbranche helfen. 25 000 Arbeitsplätze in der europäischen Solarbranche seien akut in Gefahr, so die Kommission.

Die Strafmaßnahmen sind wegen des Widerstands Deutschlands und 17 weiterer EU-Staaten politisch äußerst umstritten. Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) hält die vorläufigen Strafzölle für falsch. Er bezeichnet sie am Mittwoch im ARD-„Morgenmagazin“ als „schweren Fehler“. Es gebe nach wie vor die Chance, sich in Verhandlungen über faire Rahmenbedingungen für die Solarwirtschaft zu verständigen. Deutschland setze auf Dialog statt Konfrontation, so Rösler. Einen Handelskrieg gelte es unbedingt zu verhindern. Das Handelsministerium in Peking klagte, die EU habe die Strafzölle verhängt, obwohl die chinesische Seite große Anstrengungen unternommen habe, den Konflikt durch Gespräche zu lösen. Peking untersucht ferner Dumpingvorwürfe gegen Importe von legierten Stahlrohren und Chemie-Einfuhren aus der EU. mit material von dpa

EU-Wein für China

Die 27 EU-Länder haben im Jahr 2012 etwa 257,3 Millionen Liter Wein im Wert von 763,7 Millionen Euro nach China exportiert. Damit ist China das drittgrößte Exportland für Wein aus der EU, nur nach Russland und in die USA ging noch mehr. Spitzenreiter bei den Exporten nach China ist Frankreich mit etwa 139 Millionen Litern, Deutschland liegt mit rund 54 Millionen Litern auf Platz fünf. Chinas Zollverwaltung zählte 2012 290 Millionen Liter Wein, ein Drittel der chinesischen Wein-Importe stammt aus der EU. FOTO/Text: dpa

„Das ist nicht existenziell für uns.“
Robert Haller, Leiter Bürgerspital Würzburg, zu Strafzöllen auf Wein
 
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