Nein, eine Ruhepause gibt es im Nürnberger Flughafen nicht. Der zweitgrößte Flughafen in Bayern hat tatsächlich kein Nachtflugverbot, als einziger im Freistaat. „Ab April, Mai ist bei uns wieder Hochsaison“ sagt Pressesprecherin Katharina Ostertag. „24 Stunden lang, rund um die Uhr, das geht dann so bis Ende Oktober .“
Die Nachtflugerlaubnis – für den kleinen Airport, der sich als „Flughafen der kurzen Wege“ versteht, ist es ein wichtiges Erfolgsargument. Und für viele Flugreisende auch. Wer mitten in der Nacht ans Rote Meer abhebt, spart sich einen Extra-Urlaubstag für die Anreise. Durchschnittlich 27 Flüge zwischen 22 und 6 Uhr zählte die Flughafengesellschaft im vergangenen Jahr pro Nacht. Im Urlaubsmonat August waren es allein 44 Starts und Landungen pro Nacht. .
Auf zum Einchecken: Eine aufwendige Logistik-Software sorgt dafür, dass die aufgegebenen Gepäckstücke auf Laufbändern zu zwei getrennten Sortieranlagen gebracht werden. Dabei durchlaufen sie mehrere Röntgenkontrollen. „ Wir sehen alles, was verboten ist“ sagt Matthias Reubel, Abteilungsleiter für den Gepäckdienst. Reubel wohnt in Hammelburg und pendelt fast täglich an den Flughafen – nicht als einziger Unterfranke, der hier seinen Arbeitsplatz gefunden hat. Das Pendeln sei für ihn kein Problem – auch weil ihn die Luftfahrt so fasziniert: „Permanent spannend, und unser Airport ist extrem dynamisch, was die moderne Entwicklungen angeht“, sagt Reubel.
Pro Stunde können bis zu 2000 Gepäckstücke durch die Anlagen geschleust werden. Ab dem Moment, wo der Fluggast sie abgibt, sind sie logistisch erfasst und durchlaufen immer wieder Scannertore, die den Kontroll- und Sortierstatus sichtbar machen. 65 Mitarbeiter und etliche Saisonkräfte sorgen Tag und Nacht im Schichtdienst dafür, dass kein Gepäckstück verloren geht. Und jedes Gepäckfahrzeug, das die Halle verlässt und über das Vorfeld zu einem wartenden Flugzeug fährt, hält sich an ein strenges Reglement.
Verschiedenste kleine und große Sonderfahrzeuge und Flugzeuge fahren kreuz und quer über das Vorfeld – oder werden geschoben. Aber was nach Chaos aussieht, ist durch exakte Vorschriften geregelt. Rote, blaue und gelbe Leitlinien auf dem Vorfeldareal und den dahinter liegenden Rollbahnen zeigen den Fahrzeugen den exakten Weg an. „Innerhalb der roten Linien kann man sicher sein, dass ein vorbeirollendes Flugzeug hier nicht mit seinen Flügelspitzen hereinragt“, sagt Norbert Hänsch. Er ist oberster „Chef“ auf dem Vorfeld und den Rollbahnen - und zuständig für alles , was sich dort bewegt oder parkt.
Jederzeit kann Hänsch über Funk jedes Flugzeug und jedes Fahrzeug direkt ansprechen. Er selbst ist mit einem gelb-schwarz gemusterten Kleinbus unterwegs, dem Leitfahrzeug mit der Funkkennung „Lima 1“. Und seine Augen hat er überall.Weil es in der Nacht Eisbildung auf der Rollbahn gabt, muss der Vorfeld-Chef nun prüfen, ob die Auftaumaßnahmen ausreichend waren.
Er funkt den Tower an und bittet um Erlaubnis, auf die Start- und Landebahn fahren zu dürfen. Erst als die Lotsen den gesamten Luftverkehr gesperrt haben, fährt Hänsch los und macht auf der Rollbahn einige Bremsversuche. Ein elektronisches Gerät zeichnet alle Werte auf und schickt sie an den Tower. Von dort werden sie den Piloten im Anflugsektor übermittelt.
Kaum ist der Flugverkehr wieder freigegeben,fragt der Pilot einer startbereiten Boeing nach dem „Eisbären“ . „Der will das Enteisungsfahrzeug“, sagt Hänsch und kümmert sich sofort darum, dass ein Spezialfahrzeug zur Parkposition kommt. Der „Eisbär“ ist mit einer Hubbühne, einem großen Tank und einem Hochdrucksprühgerät ausgestattet. Wenig später besprüht ein Arbeiter sorgfältig das Leitwerk der Maschine. „Die Höhen- und Seitenruder können die nächste Zeit nicht mehr einfrieren“, sagt Hänsch und funkt: „Tower von Lima 1: Die Maschine ist enteist und kann freigegeben werden,“
Mittlerweilen hat im Gebäude neben dem Terminal bei der Flughafenfeuerwehr der Wachwechsel stattgefunden. Nach 24 Stunden Dienst hat die nächste Schicht übernommen. „16 Feuerwehrmänner und –frauen sind immer im Dienst“, sagt Matthias Reumann, der stellvertretende Leiter der Wehr. Neben dem Gebäudebrandschutz stellt die Mannschaft auch den Flugzeugbrandschutz. „Nach einem Alarm muss 30 Sekunden später das erste Fahrzeug besetzt und nach drei Minuten jeder Ort am Flughafen erreicht sein.“ Im Ernstfall geht es um Sekunden. . Vor den Einsatzfahrzeugen sind „Hosenpakete“ zu sehen. Die Feuerwehrler haben ihre Schutzhose nach unten über die Stiefel gestülpt und dann mit den Schuhen ausgezogen. So können sie im Alarmfall gleichzeitig in Hose und Stiefel springen. „Wenn ein Flugzeug brennt, wird die Zeit verdammt knapp“, sagt Reumann.
Stars in der Wache sind die beiden „Flugfeldlöschfahrzeuge“. Mit 1000 PS sind die über 40 Tonnen schweren Lkws bis zu 140 km/ h schnell. Mit dabei: 12 500 Liter Wasser, sowie Schaum und Pulver. Reumann zeigt auf das Neueste, was es auf dem Markt gibt: die „Piercingeinrichtung“. Eine armdicke, meterlange Stahllanze , die mittels einem Teleskoparm bis zu zehn Meter vor dem Fahrzeug in Position gebracht werden kann. Brennt ein Flugzeug, kann damit über Kopfhöhe der Kabine in den Rumpf gestochen werden. Durch seitlich angebrachte Öffnungen wird dann ein Wassersprühnebel in denKabinenraum gespritzt.
Auch eine Herausforderung für den Flughafen: ein "Turn around" . Eine Maschine landet, wird entladen, neu beladen und startet sofort wieder. Gerade hat sich der Flug „Euro Wings 516“ aus Hamburg angekündigt. Nach maximal 30 Minuten muss er wieder zurückfliegen. Ein Fall für die Abteilung Operation + Service, kurz „OPS“. Marius Künzel, der „Ramp Agent“, ist für diesen Flug zuständig. Für den "Turn around" hat er alles vorbereitet.
Künzel wird nach der Landung sofort zu den Piloten in das Cockpit gehen und das weitere Vorgehen absprechen. Wieviel Kerosin wollen sie auftanken? Wird Frischwasser gebraucht? Muss Brauchwasser abgelassen werden? „Unzählige Wünsche können da auf einen zukommen“, sagt Künzel. „Ich muss dazu die Cockpit Crew hundertprozentig unterstützen.“
Als die Maschine aus Hamburg auf das Abfertigungsgebäude zurollt, steht bereits ein „Marshaller“ am Haltepunkt. Exakt winkt er mit zwei roten Signalstäben den Piloten ein. Dann geht alles schnell: Mehrere Teams laden die Koffer aus, Ladefahrzeuge stehen mit den neuen Koffern bereit. Der „Passagierfinger“, die mobile Rampe für die Passagiere, wird angedockt, die Fluggäste steigen aus. Servicekräfte kommen, ergänzen das Catering und säubern schnell die Kabine.
Ramp-Agent Marius Künzel übergibt dem Piloten die neuen Ladepapiere - „Loadsheet“ genannt. Daran erkennt der Pilot, wieviel Passagiere kommen, wieviel Gepäck und sonstige Zuladung nach Hamburg muss. Und schon gibt die Stewardess Marius Künzel das Zeichen, dass die wartenden Passagiere kommen können. Die Außenteams haben alles erledigt, die Ladetüren werden geschlossen, der „Finger“ fährt zurück.
Der Pilot kann die Triebwerke starten, ein „Pusher“, ein Schub-Sonderfahrzeug, schiebt das Flugzeug rückwärts zur Rollbahn in Position. Künzel schnauft durch: „Exakt 28 Minuten haben wir gebraucht. So sind die Fluggesellschaften zufrieden mit uns!“