In der Ferne ist schon über den tief hängenden Wolken ein kleines Flugzeug im Anflug, als langsam ein weiteres bereits auf dem Flughafen Kassel-Calden landet. Doch die Propellermaschine biegt nach dem Aufsetzen nicht Richtung Terminal ab, sondern fährt zum Privatbereich des neuen Airports. Und das ist das Problem: Flugverkehr gibt es auf dem umstrittenen Flughafen reichlich, nur eben keine großen Ferienflieger. Neben der kommerziellen Fliegerei der Ferienflieger gehört die allgemeine Luftfahrt und das geplante Gewerbegebiet auf dem alten Flughafengelände zu den drei Standbeinen des Flughafens.
Der Flughafen als Ausflugsziel
Die Identifikation der Menschen in Nordhessen mit dem Flughafen in der Region ist immens groß, trotz – oder gerade wegen – der anhaltenden Kritik. „Immer wird nur geschrieben, hier ist nichts los. Die Berichterstattung ist sehr einseitig. Da kommt es mir hoch“, sagt Brigitte Koban, die am Flughafen im Reisebüro arbeitet. „Die Lage ist grausam, das wissen wir. Aber das Objekt ist da, hier arbeiten Menschen und alle geben sich Mühe“, betont die Kasselerin. Zudem habe sich der Flughafen als Ausflugsziel etabliert. „Sonntags ist es hier richtig voll“, berichtet Koban.
Doch Besucher sind eben keine Fluggäste. In den ersten sieben Monaten des Jahres, also inklusive der Zeit vor der Eröffnung des neuen Airports, gab es nach Flughafen-Angaben knapp 14 000 Flugbewegungen und insgesamt 27 000 Passagiere.
Kritik kommt vor allem von den hessischen Landtags-Grünen. „Für die wenigen Ferienflüge hätte man nicht 271 Millionen Euro der Steuerzahler in die Luft blasen müssen“, sagt die Sprecherin für Verkehr, Karin Müller. Die Partei fordert nun Transparenz über die jährlichen Betriebskosten. Die Antwort der Landesregierung steht noch aus. Dass der Flughafen im Fokus steht, wundert Flughafen-Chefin Maria Muller nicht. „Vergessen Sie bitte nicht, wir haben Wahlkampf in Hessen und da bleibt kein Schwimmbad und kein Flughafen verschont.“
Im Terminal-Restaurant sind an diesem Vormittag lediglich vier Tische besetzt – kein Wunder, der nächste Flieger startet erst abends um halb acht nach Mallorca. Es ist der Einzige an diesem Tag. Immerhin, denn zuletzt wurden auch noch die Flüge nach Teneriffa gestrichen. Der vorerst letzte Flug zur spanischen Ferieninsel ist für diesen Donnerstag geplant, ursprünglich standen diese bis Ende Oktober im Flugplan. Die Verbindung sei nicht so stark gebucht worden wie erhofft, sagt ein Sprecher der DER Touristik Köln. Koban hat da einen anderen Eindruck. „Die Nachfrage ist da. Aber weil es keine Flüge gibt, muss ich die Kunden schweren Herzens für andere Flughäfen buchen.“
Der im April eröffnete Flughafen erwischte einen denkbar schlechten Start. Erst liefen die Baukosten aus dem Ruder – statt zunächst geplanten 151 Millionen Euro waren es 271 Millionen Euro. Allgemeine Unsicherheit in der Luftfahrtbranche und nicht zuletzt das Chaos am Berliner Flughafen mit den verschobenen Eröffnungsterminen führten dazu, dass auch in Kassel Fluggesellschaften zurückhaltend waren. „Das Jahr 2013 ist ein sehr kritisches Jahr für die gesamte Luftverkehrswirtschaft“, erklärt Flughafen-Chefin Muller.
Flüge nur nach Palma und Split
Bereits nach der Eröffnung fielen vereinzelt Flüge aus, dann führte die Pleite einer Airline zu weiteren Flugausfällen. Erst vor kurzem wurde bekannt, dass – außer den letzten, bis Oktober geplanten Verbindungen nach Teneriffa – auch Flüge nach Antalya abgesagt wurden. Aktuell werden nach Flughafen-Angaben noch Palma de Mallorca und das kroatische Split regelmäßig von Calden aus erreicht. Muller gibt sich zuversichtlich: „Dafür, dass einige Kritiker im Vorfeld gesagt haben, dass hier nie ein großes Flugzeug abheben wird, sind wir schon ein paar Schritte weiter.“
Doch für den Winterflugplan sieht es noch schlecht aus. „Der Winter ist kein Ponyhof für einen Regionalflughafen. Der erste Winter wird sehr schwer, viele Airlines fürchten den nächsten Jahreswechsel und legen sogar Flugzeuge still. Mitte September wissen wir mehr“, sagt Muller. Für den Sommerflugplan 2014 gebe es aber bereits erste Abschlüsse.
Flughäfen in Deutschland
Neben den großen internationalen Verkehrsflughäfen wie Frankfurt, München oder Nürnberg gibt es in Deutschland mittlerweile zahlreiche Regionalflughäfen wie Rostock, Memmingen oder auch Kassel. Insgesamt spricht der Flughafenverband von bundesweit knapp 40 Flughäfen.
Als Regionalflughafen werden Flughäfen bezeichnet, die vom Bundesverkehrsministerium nicht gemäß Luftverkehrsgesetz (LuftVG) 27d als internationale Flugplätze definiert worden sind. Umstritten ist die Förderung: Nach Plänen der EU sollen Flughäfen, die weniger als fünf Millionen Fluggäste pro Jahr aufweisen, zukünftig über nur noch maximal zehn Jahre Betriebsbeihilfen erhalten. Text: md