Stell dir vor, es ist Fußball-Weltmeisterschaft und keiner kann hin: Weil viele Spiele der WM in Brasilien hierzulande in die Abend- und Nachtstunden fallen, müssen Arbeitnehmer entweder um ihren Schlaf oder um ihr Fußballvergnügen bangen. Einige Unternehmen überlegen sich nach Aufrufen der Gewerkschaften nun etwas, um ihren Mitarbeitern entgegenzukommen. Nicht jeder Chef hat allerdings ein Herz für den Sport.
„Wir wissen natürlich um die Fußballleidenschaft unserer Beschäftigten“, sagt ein Sprecher des Technikkonzerns Bosch. „In der Regel ist es so, dass sich die einzelnen Standorte etwas einfallen lassen.“ Wer während der Spiele Spät- oder Nachtdienst habe, könne in Absprache etwa zwischendurch ausstempeln und die freien Fußballstunden nachholen. In den Betriebskantinen stünden Fernseher parat, vor denen sich interessierte Kollegen dann gemeinsam versammelten – nicht selten zusammen mit dem Chef.
Wegen der Zeitverschiebung werden viele WM-Spiele erst gegen 22 Uhr deutscher Zeit angepfiffen, einige sogar erst um Mitternacht. Gewerkschaftsvertreter hatten deshalb spätere Frühschichten gefordert. „Wenn Spiele spät nachts stattfinden, dann guckt doch, dass ihr eure Arbeitnehmer am nächsten Tag einfach mal eine Stunde oder zwei Stunden später anfangen lasst“, hatte etwa Carsten Burckhardt, Vorstandsmitglied der IG Bau, gefordert.
Spätere Frühschichten für Mitarbeiter führt Bosch zwar nicht ein. „Oft gibt es aber die Möglichkeit, dass Mitarbeiter eine Schicht mit jemandem tauschen, der vielleicht weniger Fußballinteresse hat“, sagt der Sprecher.
Kundeninteresse geht vor
Generell hatten sich Arbeitgeber offen für den Vorschlag gezeigt: „Viele mittelständische Unternehmer sind große Fußballfans“, sagte etwa Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbands der mittelständischen Wirtschaft (BVMW). „Deshalb sollte es gerade bei Klein- und Mittelbetrieben möglich sein, dass Unternehmer und Mitarbeiter flexible Arbeitszeiten vereinbaren.“
So sieht man das aber nicht überall: „Nur weil Fußball-WM ist, steht die Welt ja nicht still“, sagt ein Sprecher des Filterherstellers Mann + Hummel. „Wir haben Verpflichtungen gegenüber unseren Kunden“, betont der Mittelständler. Das Schichtmodell für die WM ändern? Kommt nicht infrage. „Wenn wir für jeden die Extrawurst braten, dann können wir uns aufs Bratwurstbraten konzentrieren, aber nicht darauf, für unsere Kunden Filter zu bauen.“ Auch beim Autozulieferer Eberspächer brennt man nicht unbedingt für die Idee. Über das Thema habe man sich dort noch keine Gedanken gemacht, sagt der Geschäftsführende Gesellschafter Heinrich Baumann. „Wir könnten natürlich sagen, wir hoffen auf ein frühes Ausscheiden der deutschen Mannschaft, aber das stimmt natürlich auch nicht.“ Zumindest in den brasilianischen Werken des Zulieferers ließen sich Mitarbeiter unbezahlte Pausen zur WM aber wohl nicht nehmen, fürchtet Baumann.
Kein Urlaub für die WM
Flexibel zeigt sich der Autobauer Daimler: „In der Vergangenheit haben wir es unseren Mitarbeitern in der Regel ermöglicht, die Spiele zu sehen“, sagt eine Sprecherin. Fans hätten dann entweder die Spätschicht früher beenden oder später in die Frühschicht starten dürfen.
Fragt man die Mitarbeiter selbst, schrumpft die Schar der Fußballfreunde allerdings doch beträchtlich, wie aus einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid für das Magazin „Reader's Digest“ hervorgeht. Demnach gaben 65 Prozent der Befragten an, die Arbeit gehe eindeutig vor – und sie seien auch nicht bereit, für das TV-Vergnügen unbezahlten Urlaub zu nehmen.