Ende 2007 haben Lefteris und Ioanna Vidou die Eigentumswohnung im Athener Küstenvorort Voula gekauft. Fast 380 000 Euro zahlten sie für die hundert Quadratmeter. 330 000 Euro gab ihnen die Bank als Kredit. Vier Jahre klang bedienten die Vidous ihr Darlehen jeden Monat pünktlich. Dann erreichte die Krise auch sie. Lefteris verlor seinen gut bezahlten Job als Börsenmakler. Seit Januar haben die Vidous keine Raten mehr an die Bank gezahlt. Kein Einzelfall. Ende Juni – neuere Zahlen hat die griechische Zentralbank noch nicht vorgelegt – wurden knapp 23 Prozent aller Immobilienkredite nicht mehr bedient. Bei den Verbraucherdarlehen war die Quote der „faulen Kredite“, die seit mindestens 90 Tagen nicht mehr bedient werden, mit 42,4 Prozent am höchsten, bei den Unternehmenskrediten betrug sie 27,5 Prozent.
Unter dem Strich lag der Anteil der notleidenden Kredite Ende Juni im Branchenmittel bei 27,8 Prozent. Inzwischen dürfte er auf etwa 30 Prozent gestiegen sein. Das entspräche einer Kreditsumme von 65 Milliarden Euro oder 35 Prozent des diesjährigen griechischen Bruttoinlandsprodukts (BIP). Bisher sind von den gefährdeten Darlehen nur 35 Milliarden durch Rückstellungen in den Bilanzen berücksichtigt. Im Auftrag der griechischen Zentralbank prüft jetzt der Finanzdienstleister Blackrock, wie groß die Kreditrisiken wirklich sind und welcher Abschreibungsbedarf sich ergibt. Die Ergebnisse dieses Stresstests sollen Ende November vorliegen. Auf ihrer Grundlage wird dann die Zentralbank bis zum Jahresende entscheiden, wie hoch der zusätzliche Kapitalbedarf der vier systemischen Banken ist.
Anders als etwa in Irland und Spanien, waren die griechischen Banken nicht Verursacher sondern Opfer der Krise. Die großen Institute galten wegen ihrer konservativen Geschäftspolitik als gesund und überstanden die globale Finanzkrise in der Folge der Lehmann-Pleite vom September 2008 ohne allzu große Blessuren. Zum Verhängnis wurden den griechischen Banken aber ihre hohen Bestände an griechischen Staatsanleihen. Als die Ratingagenturen Ende 2009 begannen, Griechenlands Bonität herunterzustufen, brachen die Kurse der Papiere ein. Beim Schuldenschnitt vom Februar 2012 mussten die griechischen Banken Milliardenverluste verbuchen, die ihr gesamtes Eigenkapital vernichteten. Im zweiten Griechenland-Rettungspaket stellte die EU für die Rekapitalisierung der Banken 48,7 Milliarden Euro zur Verfügung. Die Gelder wurden im Sommer über den griechischen Bankenrettungsfonds HFSF an die Institute verteilt.
Der HFSF hält seit der Rekapitalisierung die Mehrheit an den vier systemischen Banken. Bei der Piraeus Bank kontrolliert der Fonds 81 Prozent der Aktien, bei der National Bank of Greece und der Alpha Bank sind es jeweils rund 84 Prozent, bei der Eurobank sogar 94 Prozent. Damit hat der HFSF das letzte Wort, wenn es in den nächsten Monaten zu entscheiden gilt, wie die Institute mit den faulen Krediten umgehen. Es gibt bereits Pläne, die notleidenden Darlehen in interne Bad Banks auszulagern, um die Bilanzen zu entlasten.
In Bankenkreisen äußert man die Zuversicht, dass die Institute ohne neue Hilfsgelder der EU auskommen können. Erstens sind aus dem ursprünglichen Topf von 48,7 Milliarden noch knapp sieben Milliarden übrig. Zweitens verbessert sich die Ertragslage der Banken. Und drittens soll der Verkauf von Beteiligungen mehrere Milliarden einbringen und die Kapitaldecke stärken.