„Wir müssen den Euro weiter schwächen.“ Der Satz stammt von Christian Noyer, seines Zeichens Chef der französischen Notenbank. Gefallen ist die Bemerkung an diesem Donnerstag. Brisant ist die Aussage allemal, denn die Europäische Zentralbank (EZB), in deren Rat Noyer sitzt, will sich eigentlich nicht zu Wechselkursen äußern. Oder besser gesagt: Sie wollte es nicht. Denn Noyer ist nicht der einzige Notenbanker, der nun offen zugibt, dass die EZB die Gemeinschaftswährung mit ihrer Politik aufweicht. Bricht die Notenbank mit ihrem Vorsatz, den Euro nicht unmittelbar beeinflussen zu wollen?
„Die EZB hat kein Wechselkursziel.“ Dieser Satz war jahrelang zu hören, wenn europäische Notenbanker nach der Entwicklung des Eurokurses gefragt wurden. So gut wie nie kam es vor, dass ranghohe Zentralbanker den Euro „schwach geredet“ haben. Einmal war es anders: Im Frühjahr 2013 intervenierte EZB-Chef Mario Draghi verbal gegen den damals immer stärkeren Euro. Es war die Zeit, in der das Schlagwort „Währungskrieg“ die Runde machte. Seinerzeit lockerte eine Notenbank nach der anderen ihre Geldpolitik und übte so Druck auf ihre Heimatwährung aus. Wenig später fassten die großen Wirtschaftsmächte G 20 den Beschluss, von einer gezielten Währungsschwächung absehen zu wollen.
Geldpolitische Wende
Danach blieb es lange Zeit ruhig. Zuletzt auch deswegen, weil sich in den USA und Großbritannien immer mehr eine geldpolitische Wende abzeichnet. Das stärkt den US-Dollar und das britische Pfund, im Gegenzug verlieren andere Währungen – so auch der Euro. Der japanischen Notenbank scheint man zwar zuzugestehen, ihre auf eine Schwächung des Yen abzielende Geldpolitik zu betreiben. In Europa aber hielt sich Notenbankchef Mario Draghi bis vor kurzem sehr bedeckt – obwohl der lange Zeit starke Euro das ohnehin schwache Wachstum dämpfte und die niedrige Inflation weiter drückte. Doch das Blatt scheint sich gewendet zu haben.
EZB riskiert ihren Ruf
Vor einer Woche brach der österreichische Notenbankchef Ewald Nowotny das Schweigen. Offen gab er zu, dass die jüngste geldpolitische Lockerungsrunde der EZB eine Schwächung des Euro zum Ziel habe. Von einem „Entlastungseffekt für die Exportwirtschaft“ sprach Nowotny, weil ein schwächerer Euro Ausfuhren für Abnehmer außerhalb des Euroraums vergünstigt. Frankreichs Notenbankchef Noyer räumte nun ein: „Um unser Inflationsziel von zwei Prozent im Jahr zu erreichen, mussten wir den Euro drücken.“ Und er ergänzte: „Wir müssen den Euro weiter schwächen.“ Ökonomisch ist das nichts Neues, weil ein schwächerer Euro Einfuhren verteuert und damit die Inflationsrate nach oben treibt. Neu ist aber, dass sich Notenbanker so offen für eine schwache Währung aussprechen. Unter Experten trifft die neue Offenheit in der EZB nicht auf ungeteilte Gegenliebe. „Tausche Glaubwürdigkeit gegen Euro-Schwäche“, bringt es Ulrich Leuchtmann, Leiter der Devisenabteilung bei der Commerzbank, auf den Punkt. Sein Argument: Die Notenbank nehme einen Verlust ihres Rufs in Kauf, nur um den Euro zu drücken. Es sei beeindruckend, wie wenig die EZB ihre „währungskriegerischen Absichten“ kaschiere, sagt Leuchtmann. Das klingt hart, trifft aber im Kern zu. Selbst Notenbankchef Draghi ist zuletzt immer weniger davor zurückgeschreckt, den Euro „schwach zu reden“. Nach der Zinssitzung Anfang August zählte er gleich mehrere Faktoren auf, die für einen schwächeren Euro sprechen. „Draghi hat dem Euro einen Todesstoß versetzt“, kommentierte seinerzeit das Handelshaus Gain Capital. Das ist vielleicht überspitzt formuliert – seine Wirkung hat Draghi aber nicht verfehlt: Der Euro steht auf breiter Front unter Druck – von seinem Jahreshoch bei 1,40 Dollar ist er um mehr als zehn Cent gefallen. Zu Wochenbeginn rutschte er unter 1,29 Dollar. Besonders in den USA hat die Spekulation gegen den Euro Fahrt aufgenommen.