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FRANKFURT
EZB geht auf Einkaufstour
EZB-Präsident Mario Draghi       -  EZB-Präsident Mario Draghi
Foto: Boris Roessler, dpa | EZB-Präsident Mario Draghi
Von unserem Mitarbeiter Niklas Molter
 |  aktualisiert: 10.07.2016 03:06 Uhr

Mit dem, was Mario Draghi tut, ist Wolfgang Gerke schon länger nicht mehr einverstanden. Gerke ist Präsident des Bayerischen Finanz-Zentrums und emeritierter Professor für Bank- und Börsenwesen. Die Europäische Zentralbank (EZB) und ihr Präsident Draghi mischten sich in Bereiche ein, in denen sie nichts verloren hätten, sagt Gerke. So nun auch wieder bei den Unternehmensanleihen. Ab sofort will die EZB selbst Unternehmensanleihen kaufen. Das hatte die Zentralbank so angekündigt.

Unternehmensanleihen sind – vereinfacht gesagt – ein Hilfsmittel für Firmen, die investieren wollen. Sie geben Anleihen heraus, die private Geldgeber kaufen. Nach einer vereinbarten Laufzeit erhalten diese ihr Geld zurück - und zusätzlich dazu Zinsen. Der Vorteil für Unternehmen: Anders als im Fall von Aktionären haben Käufer von Unternehmensanleihen keinen Einfluss auf die Geschäftspolitik einer Firma, helfen dieser im Idealfall aber dennoch dabei zu wachsen. Einen solchen Kreislauf wollen nun Draghi und seine Mitarbeiter in Gang bringen: Indem die EZB Firmenanleihen kauft, will sie Unternehmen mit mehr Geld zu mehr Investitionen anregen. Finanz-Experten wie Gerke sehen diesen Schritt allerdings äußerst kritisch.

„Ich halte das für eine geldpolitische Katastrophe“, sagt Gerke. „Für eine sehr gefährliche Politik.“ Die Entscheidung, ab sofort auch Unternehmensanleihen zu kaufen, könnte seiner Ansicht nach weitreichende Folgen für deutsche Sparer und Mittelständler haben. Problem Nummer eins: Um sich nicht der Kritik auszusetzen, werde die Zentralbank vorwiegend Anleihen erstklassig bewerteter Unternehmen kaufen, sagt Gerke - und damit vor allem Anleihen von Großunternehmen. Mittelständische Unternehmen dagegen gingen leer aus. „Die haben gar nichts davon“, sagt Gerke. Jürgen Gros, Vorstand des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB), teilt diese Befürchtung. „Der bayerische Mittelstand, Rückgrat der Wirtschaft im Freistaat, profitiert von Anleihekäufen kein bisschen“, kritisiert er.

Denn kaum ein mittelständisches Unternehmen finanziere sich über Firmenanleihen. Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft, sieht das ähnlich. In einer Pressemitteilung spricht er von einer „schlimmen Wettbewerbsverzerrung zulasten des Mittelstands“. Für Gerke ist der Mittelstand allerdings nicht der Hauptverlierer der EZB-Entscheidung. Das seien vielmehr diejenigen, die beispielsweise für ihre Rente Geld zurücklegen, sagt er: „Der deutsche Sparer zahlt die Rechnung.“ Gerke geht davon aus, dass die Zinsen für Unternehmensanleihen und andere Anlagen durch die Aufkäufe der Zentralbank weiter sinken werden. Soll heißen: Sparer erhalten weniger Zinsen und damit weniger Geld.

Jürgen Gros rechnet ebenfalls mit sinkenden Zinsen. Der GVB-Vorstand sieht noch ein weiteres Problem: Geht eine Firma pleite, von der die EZB Anleihen gekauft hat, müssten schlussendlich auch deutsche Steuerzahler geradestehen.

Verzerrungen befürchtet auch Gerke. Dadurch, dass der Markt mit billigem Geld versorgt werde, seien Fehlinvestitionen möglich, sagt er. Etwa indem in Krisenländern Strukturen am Leben erhalten würden, die wirtschaftlich nicht überlebensfähig seien. Ein Anzeichen für mögliche Verzerrungen: Seitdem die Zentralbank ihre Entscheidung bekannt gegeben hat, ist die Zahl der Unternehmensanleihen laut Gerke stark gestiegen. Droht damit eine Blase, die irgendwann platzt? „Je länger die EZB ihre Politik fortsetzt, desto wahrscheinlicher wird das“, sagt Gerke.

 
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