Die EU-Kommission bläst zur Aufholjagd in der Internet-Wirtschaft. Dabei will sie insbesondere Online-Käufe über Grenzen hinweg erleichtern, Nutzerrechte im Internet stärken und digitale Geschäfte ankurbeln. Ein entsprechendes Strategiepapier zum „Digitalen Binnenmarkt“ präsentierten der zuständige Vizepräsident der EU-Behörde Andrus Ansip und der EU-Kommissar für Digitalwirtschaft Günther Oettinger am Mittwoch in Brüssel. Insgesamt 16 Initiativen wollen sie bis Ende 2016 anstoßen. Der Gedanke dahinter: Wenn die digitale Wirtschaft reibungslos über Grenzen hinweg funktioniert, kann sie besser wachsen.
Besonders wichtig sind die Schutzvorschriften, die einen Einkauf bei Anbietern auch außerhalb der eigenen Grenzen attraktiv machen. Denn wenn für Reklamationen, Garantie-Leistungen und Produktservice überall die gleichen Vorschriften gelten und das Bezahlen eines Online-Geschäftes nach zertifizierten Standards erfolgt, ist das ein wirklich großer Schritt hin zu mehr Kundenfreundlichkeit auch bei Käufen im Ausland.
Tatsächlich gehen viele Anbieter her und leiten einen Kunden aufgrund seines Bestellortes auf eine andere Seite um. So geriet zum Beispiel Apple mit seinem Musikdienst iTunes vor Jahren in das Visier der Kommission, weil das Unternehmen innerhalb der EU-Staaten völlig unterschiedliche Preise für einen Song zum Download erhoben hatte. Solche Praktiken will Brüssel abstellen. Noch heute können Bundesbürger, die ein Abonnement des Bezahlsenders Sky haben, dieses außerhalb Deutschlands nicht nutzen.
Dabei spielt das Urheberrecht die entscheidende Rolle. Die Rechte gelten nur für Deutschland. Deshalb können die Nutzer in einigen europäischen Ländern die Funktionen der Mediatheken von öffentlich-rechtlichen Anstalten nicht oder nicht voll nutzen.
Viele Nutzer legen ihre Daten nicht mehr auf einer eigenen Festplatte, sondern in Online-Speichern wie Dropbox oder Google-Drive ab, um sie von überall mit jedem Gerät nutzen zu können. Die EU-Kommission will erreichen, dass die Kunden immer Herr ihrer Daten bleiben und dass ein Umzug mit allen gespeicherten Inhalten leicht möglich ist und nichts beschädigt wird oder verloren geht. Die Nutzungsbedingungen sehen da bisher höchst unterschiedliche Haftungen vor.
Google wird vorgeworfen, seine eigenen Dienste sowie die von Kunden bei den Suchergebnissen zu bevorzugen und deshalb bei den Treffern weiter nach oben zu setzen. Die europäischen Standards sollen dagegen sicherstellen, dass die Suchprogramme nicht Instrumente der Werbung werden, sondern zuverlässig und sachgerecht arbeiten. Wie transparent eine Suchmaschine gegenüber den Verbrauchern ist, könnte ein Kriterium für die Zertifizierung werden. Wenn Google sich an solche europäischen Standards hält, wird es keine Probleme mit dem US-Unternehmen geben.
Bei der Netzneutralität geht es darum, dass alle Daten gleich schnell weitergeleitet werden. Einige Anbieter auch in Deutschland wollen das Prinzip aufgeben und zum Beispiel Abonnenten von eigenen Diensten bevorzugen und andere Nutzer dafür ausbremsen. Das will die EU nicht mitmachen. Es soll zwar sehr wohl einen Vorrang für bestimmte Daten geben – Notrufe müssen zum Beispiel immer Vorrang haben. Telemedizinische Operationen dürfen nicht unter langsamem Datenfluss leiden. Das scheint unumstritten. Davon abgesehen besteht die Kommission aber darauf, dass alle Daten ohne Rücksicht auf Inhalt, Herkunft oder Status des Abonnenten gleich behandelt werden. Die Netzneutralität soll – mit wenigen Ausnahmen – uneingeschränkt gewahrt bleiben.
Die EU-Kommission will ihre Vorschläge zum 1. Januar 2017 in Kraft setzen. Das erscheint – gelinde ausgedrückt – optimistisch zu sein. Bis sich das Parlament und vor allem die Mitgliedsstaaten in allen Fragen verständigt haben, wird noch viel Zeit vergehen – sicherlich mehr als jetzt genannt.