Sie sind das Kernstück aller Elektroautos: Batterien. 90 Prozent der heutigen E-Fahrzeuge fahren mit Produkten aus Fernost. „Diese Abhängigkeit können wir nicht länger hinnehmen“, sagte EU-Kommissionsvizepräsident Maros Sefcovic am Montag in Brüssel. „Wir stehen vor der größten Veränderung der Automobilindustrie seit ihrem Anfang“, betonte der deutsche Wirtschaftsstaatssekretär Matthias Machnig, um die Herausforderung klarzumachen. Denn nach dem ersten Treffen der im Oktober 2017 neu gegründeten Europäischen Batterie-Allianz war die Industrie zunächst zurückhaltend geblieben.
„Wir kaufen bei den besten Lieferanten – und die sitzen heute in Asien“, ließ sich der Einkaufschef eines großen deutschen Herstellers zitieren. Die Angst vor den Investitionskosten einer eigenen europäischen Produktion (sie werden auf bis zu 20 Milliarden Euro geschätzt) ist groß, zumal diese Summen bei der derzeit noch geringen Zahl an Elektrofahrzeugen kaum wieder erwirtschaftet werden könne. Bis 2022, so sagen interne Studien der Automobilwirtschaft, werde der Bestand an E-Autos kaum mehr als zwei Prozent betragen.
Das sieht die Brüsseler Kommission völlig anders. Bereits im Jahr 2025 seien 25 Milliarden Euro Umsatz zu erzielen, betonte Sefcovic gestern. Machnig mahnte die Industrie: „Wir sind heute bei Autos führend, weil unsere Motorentechnologie die Beste ist.“
Wer bei Antrieben und den wichtigsten Komponenten nicht mit der Entwicklung Schritt halte, verspiele seinen Vorsprung. Machnig: „Wir wären blind und naiv, wenn wir glauben, dass wir langfristig immer die besten Batterien bekommen würden.“ Die EU-Kommission will mit einer Finanzspritze um die 200 Millionen Euro aus ihrem Forschungsprogramm Horizon 2020 den 80 Unternehmen, die sich nun zu einer Allianz bereiterklärt haben, unter die Arme greifen. Weitere Gelder könnten zum einen aus dem Strukturfonds kommen. Die Europäische Investitionsbank (EIB) versprach zum anderen am Montag, ebenfalls Kredite zur Verfügung zu stellen. Brüssel fürchtet vor allem, dass es zu einer Zersplitterung der Bemühungen kommen könnte, anstatt die Kräfte zu konzentrieren. Volkswagen hat inzwischen angekündigt, rund zehn Millionen Euro in das Projekt Northvolt in Schweden zu investieren, wo der ehemalige Tesla-Manager Peter Carlsson eine Demonstrationsanlage errichten will.
Bis 2023 sollen dort Kraftpakete mit einer Gesamtleistung von 32 Gigawattstunden gebaut werden. Aber nur für Lkw – und das reicht nicht. Nach Berechnungen der Kommission sind bis 2025 mindestens 330 Gigawattstunden nötig. „Wir brauchen einen großen Aufschlag“, hieß es gestern in Brüssel. Die Rede ist von einer „Gigafactory“, ein Begriff, der offensichtlich vom E-Auto-Führer Tesla übernommen würde, der gerade erst angekündigt hat, eine solche Riesenfabrik in der Wüste von Nevada zu bauen. Das lässt sich der US-Konzern rund 4,1 Milliarden Euro kosten. Dagegen hatte Daimler Ende 2015 sogar seine Batteriefertigung im sächsischen Kamenz eingestellt.
Die Kommission hat durchaus ehrgeizige Ziele: „Wir wollen grüne Batterien“, sagte Sefcovic. Schon bei der Planung sollen der nachhaltige Umgang mit Rohstoffen ebenso berücksichtigt werden wie die Wiederverwertung. Die interessierten Firmen wie BASF, Bosch, Continental, Daimler, Siemens, Renault oder Total blieben bisher dennoch skeptisch. „Neu gemischt werden die Karten erst bei den Folgetechnologien wie der Festkörperzelle, an der wir auch forschen“, betonte Bosch-Geschäftsführer Rolf Bulkander im Januar in einem Interview.
Mit anderen Worten: Die Branche würde lieber die erste Entwicklungsstufe heutiger Batterien überspringen und auf die nächste Generation der mobilen Stromspeicher setzen. In Brüssel wird bezweifelt, ob das funktioniert.