Der Währungskommissar wurde deutlich: „Es gab eine internationale Kultur des Schweigens“, sagte Pierre Moscovici am Dienstag vor dem Europäischen Parlament in Straßburg. „Die Fantasie der Betrüger ist unendlich groß.“ Auf dem Tisch lag der Schlussbericht des Sonderausschusses über die sogenannten Panama-Papers.
Im April vergangenen Jahres hatten Journalisten 11,5 Millionen Dokumente ausgewertet. Sie belegen großflächige Schummeleien mit Milliardenbeträgen, die zur Vermeidung von Steuerabgaben in Oasen verschoben wurden. Schaltstelle war eine Anwaltskanzlei in Panama. Am heutigen Mittwoch stimmen die 751 Volksvertreter der 28 Mitgliedstaaten ab, ob sie die lange Liste der Reformvorschläge für Regierungen und die Finanzmärkte akzeptieren.
Doch die war bis zuletzt umstritten. So will das Parlament den Mitgliedstaaten vorschreiben, Briefkasten-Firmen zu verbieten. Offshore-Anlagemodelle müssten demnach Offenlegungspflichten erfüllen. Ein Mindeststeuersatz für alle EU-Mitglieder soll schnell eingeführt werden. Die Brüsseler EU-Kommission wird aufgefordert, gegen Staaten, die in den Panama-Papers erwähnt wurden, ein Strafverfahren zu eröffnen. Zeugen, die Steuervermeidungs-Praktiken oder Geldwäsche aufdecken, wollen die Parlamentarier durch eine Kronzeugen-Regelung schützen. Die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse sollen nach dem Willen der Mandatsträger zu vollwertigen Untersuchungsausschüssen werden, um auch Zeugen befragen zu können. Das sind nur einige Forderungen.
Moscovici versprach in Straßburg, die Kommission werde bei der weiteren Gesetzgebung diese Anregungen aufgreifen. Aber das dürfte kaum reichen. „Das Wettrennen nach unten“ um immer niedrigere Steuersätze müsse aufhören, forderte der dänische Sozialdemokrat Jeppe Kofod, einer der beiden Berichterstatter des Parlamentes für die Panama-Papers: „Wir müssen den Schlamassel bereinigen“.
Ob die Bereitschaft auf allen politischen Ebenen dazu aber vorhanden ist, darf bezweifelt werden. Erst in der Vorwoche hatten die Finanzminister die lange erwartete Schwarze Liste mit Steueroasen in aller Welt veröffentlicht. Dass sie gerade mal 17 Ländernamen enthielt und man vor allem einen großen Bogen um verdächtige EU-Staaten machte, sorgte für teilweise heftige Kritik in den Reihen der Parlamentarier. „Einige Mitgliedstaaten ändern die Gesetze zur Vermeidung der Steuerhinterziehung und Geldwäsche nur widerwillig und langsam, und das ist ein enormes Problem für die EU und für die meisten Länder, die hier etwas ändern möchten“, sagte Kofod.
Dabei gibt es nach Angaben Moscovicis durchaus „Fortschritte“. „Der Informationsaustausch der Finanzbehörden kommt spürbar voran“, meinte der Währungskommissar. „Er ist nötig, weil wir Transparenz bis in die hintersten Ecken benötigen.“ Doch das wird möglicherweise nicht reichen. „Weitere Skandale werden auf uns zukommen“, zeigte sich Moscovici nur wenig optimistisch. Den Beleg dafür lieferten vor einigen Wochen wiederum Journalisten: Sie legten die sogenannten Paradise-Papers vor, neue Belege für weltweite Steuerschiebereien, um den staatlichen Abgaben zu entgehen. Das Europa-Parlament will nach der nächsten Wahl 2019 auch dazu einen Untersuchungsausschuss einrichten.