Nach dem Skandal um Zinsmanipulationen will die EU-Kommission die Märkte auch in diesem Bereich stärker an die Kandare nehmen. Solche Eingriffe müssten unter Strafe gestellt werden, sagte ein Sprecher des für Finanzmarktreformen zuständigen EU-Binnenmarktkommissars Michel Barnier. Die geplanten Regeln gegen Marktmissbrauch wie Insider-Handel sollten erweitert werden, damit sie auch die direkte Beeinflussung von Referenzzinssätzen wie den Libor umfassten.
Die Behörden unter anderem in Europa und den USA ermitteln derzeit gegen mehr als ein Dutzend Großbanken. Sie gehen dem Verdacht nach, dass die Institute den für ihre untereinander vergebenen Kredite maßgeblichen Libor-Zinssatz manipuliert haben. Mit der Aufnahme von Zinsmanipulationen in den Katalog von Straftaten solle ein Schlupfloch in der EU-Gesetzgebung geschlossen werden. Die EU-Kommission verhandelt derzeit mit dem EU-Parlament und den Regierungen der Mitgliedsländer über neue Gesetze gegen Marktmissbrauch, die Mindeststrafen für Vergehen wie Insiderhandel festlegen. Die Gesetze hätten in allen 27 EU-Staaten Gültigkeit, müssen aber noch vom Parlament und den Regierungen gebilligt werden. Im Libor-Fall wird gegen mehr als ein Dutzend Großbanken ermittelt, darunter auch die Deutsche Bank und die Schweizer UBS.
Ihnen wird vorgeworfen, von 2005 bis 2009 den Referenzzinssatz Libor und andere Marktzinsen mit falschen Angaben manipuliert zu haben, um ihre wahren Refinanzierungskosten zu verschleiern und Handelsgewinne einzustreichen. Der Libor wird einmal täglich in London ermittelt und zeigt an, zu welchen Konditionen sich Banken untereinander Geld leihen. Er basiert auf den individuellen Angaben der Großbanken und dient als Referenz für Kredite an Unternehmen, Privatpersonen und weitere Finanztransaktionen in einem Volumen von 360 Billionen Dollar.
Zuerst hatte die „Financial Times“ von Barniers Plänen berichtet. Bei den Manipulationen handele sich nach Barniers Auffassung um einen Betrug, der unter Umständen Auswirkungen auf das ganze System habe, schrieb die britische Wirtschaftszeitung. Mit Spannung wurde am Montag der Auftritt des britischen Notenbankers Paul Tucker vor einem Parlamentsausschuss in London erwartet. Die Abgeordneten wollen die Affäre aufklären, in deren Zentrum bislang die britische Bank Barclays steht. Sie hat als erstes Geldhaus in den weltweit laufenden Untersuchungen ein Fehlverhalten einiger Händler eingeräumt und wurde zu einer Strafzahlung von fast einer halben Milliarde Dollar verdonnert.