Es wäre bereits die dritte Megafusion innerhalb eines Jahres: Wenn der deutsche Pharmakonzern Bayer das US-amerikanische Landwirtschaftsunternehmen Monsanto übernehmen darf, könnte er praktisch diktieren, welches Saatgut auf den europäischen Äckern landet und mit welchem Gift Unkraut und Ungeziefer bekämpft werden. Doch noch ist der 62-Milliarden-Euro-Deal nicht durchgewunken. Am gestrigen Dienstag leitete die EU-Kommission, die als Aufsichtsbehörde über den Wettbewerb im Binnenmarkt wacht, eine eingehende Untersuchung an. Dabei hatten Kritiker gar nicht mit Widerstand aus Brüssel gerechnet.
„Wir waren überrascht“, sagte Gentechnikexpertin Heike Moldenhauer vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) dieser Zeitung: „Wir hatten eher befürchtet, dass die Kommission grünes Licht gibt“, so die Umweltaktivistin. Mit der Untersuchung hat sich die EU-Wettbewerbsbehörde stattdessen eine weitere Bedenkzeit erkauft. Die endgültige Entscheidung muss bis spätestens zum 8. Januar 2018 fallen.
Dabei sind die Bedenken groß, nicht nur in der EU-Institution. Europaabgeordnete aus verschiedenen Mitgliedstaaten hatten sich bereits vor Monaten an die Kommission gewandt mit der Forderung, sie möge die Fusion verbieten. Der Grünenabgeordnete Sven Giegold begrüßte im Gespräch mit dieser Zeitung die angekündigte Untersuchung als „ersten richtigen Schritt“: „Jetzt darf es keinen wachsweichen Deal zwischen Bayer und EU Kommission geben. Bauern und Verbraucher leiden im Agrarbereich schon heute unter zu viel Machtwirtschaft.“ Tatsächlich hatte die Behörde zuvor bereits die Übernahme der beiden US-Chemieunternehmen Dow und Dupont sowie des Schweizer Saatgutherstellers Syngenta durch den Konzern Chem China, wenn auch unter strengen Auflagen, bewilligt. Der Markt wird immer kleiner und von immer größeren Konkurrenten beherrscht – so es sie noch gibt.
Denn selbst die EU-Behörde befürchtet einschlägige Wettbewerbsbeschränkungen: „Die geplante Übernahme würde das weltweit größte integrierte Pestizid- und Saatgut-Unternehmen schaffen“, heißt es in der Erklärung der Kommission. Dabei geht es nicht nur um Herbizide und Gemüsesamen. Denn längst investieren beide Unternehmen auch in anderen Bereichen – vor allem bei den sogenannten agronomischen Merkmalen. Diese Charakteristika von Pflanzen werden in Laboren entwickelt und können natürlichen Arten zugeführt werden, wie etwa Resistenzen gegen Schädlinge oder Pflanzengifte.
Als wahrscheinlich gilt, dass beide Unternehmen Bereiche werden verkaufen müssen, um die Zustimmung der Kartellbehörde in Brüssel zu erlangen. Bisherige Vorschläge gingen dieser nicht weit genug. BUND-Expertin Moldenhauer geht davon aus, dass Bayer seinen Glyphosat-Konkurrenten Glufosinat – einer der wenigen Alternativen zur Monsanto-Allzweckwaffe gegen Unkraut – abstoßen wird. „Bayer würde damit gut leben können, das war kein Verkaufsschlager.“