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PFORZHEIM
„Es muss alles seine Ordnung haben“
Geordneter Rückzug: Die ehemalige Gesamtbetriebsratschefin von Schlecker, Christel Hoffmann, an ihrem Schreibtisch. Hoffmann kümmert sich nach der Insolvenz um die Verwaltungsaufgaben. : DPA
Foto: Foto | Geordneter Rückzug: Die ehemalige Gesamtbetriebsratschefin von Schlecker, Christel Hoffmann, an ihrem Schreibtisch. Hoffmann kümmert sich nach der Insolvenz um die Verwaltungsaufgaben. : DPA
Evangelischer Pressedienst
 |  aktualisiert: 16.01.2014 16:42 Uhr

Wenn Christel Hoffmann ins Büro geht, arbeitet sie auf ihre eigene Entlassung hin. Jeden Morgen um halb neun setzt sie sich an den Schreibtisch, wühlt sich durch Akten, legt Tabellen an und führt unzählige Telefonate. Für Christel Hoffmann gibt es noch genug zu tun. Und doch liegen ihre Unterlagen längst beim Arbeitsamt. Hoffmann hat keinen normalen Job: Sie war Gesamtbetriebsratschefin bei dem Drogerieimperium Schlecker, das vor gut zwei Jahren unterging. Nun arbeitet sie für den Insolvenzverwalter daran, das dort endgültig die Lichter ausgehen können.

„Ich bin diejenige, die übrig geblieben ist“, sagt die 60-Jährige in ihrem Büro in Pforzheim. Rund 25 000 Menschen hatten nach der Insolvenz bundesweit ihren Job verloren. „Ich vermisse meine Kollegen unheimlich“, sagt Hoffmann. Die letzten Kolleginnen aus dem ehemals 55-köpfigen Gesamtbetriebsrat mussten im vergangenen Herbst gehen. Außer Hoffmann gibt es nur noch ein paar frühere Mitarbeiter in der Schlecker-Zentrale in Ehingen, die sich um letzte Verwaltungsaufgaben kümmern. Auch sie haben nicht mehr lange Zeit, die Scherben aufzukehren. „Die wesentlichen Tätigkeiten werden wir im Laufe dieses Jahres erledigt haben“, sagt Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz. Im Vordergrund stünden dabei die ehemaligen Filialen, zuletzt immerhin mehrere Tausend allein in Deutschland. „Hier sind noch an zahlreichen Stellen Abrechnungstätigkeiten beispielsweise mit Energieversorgern, Gemeinden sowie Industrie- und Handelskammern durchzuführen“, sagt Geiwitz. Auch die Zentrale in Ehingen und einige Lager stehen noch immer zum Verkauf. Für Christel Hoffmann soll Ende März Schluss sein. Bis dahin bannt sie das einstige Drogerieimperium in Tabellen. Legt Listen von früheren Betriebsräten an, archiviert die Rechtsstreitigkeiten der vergangenen Jahre. Ist das jetzt überhaupt noch wichtig? Hoffmann sieht das pragmatisch. Es müsse alles seine Ordnung haben, sagt sie. Vor allem leistet sie seelischen und praktischen Beistand: Wenn bei ihr das Telefon klingelt, ist meistens eine frühere Kollegin dran, die Hilfe braucht bei Problemen mit dem Arbeitsamt oder nicht weiß, welche Sozialleistungen ihr zustehen. „Das sind auch Menschen, die ich noch nie im Leben gesehen habe“, sagt Hoffmann, die zuerst durch ihre großen, dunkel geschminkten Augen auffällt. Auf den Fotos, die von ihr durch die Presse gingen, waren diese Augen oft nass vor Tränen. Auch heute werden sie noch feucht, wenn sie an die Kollegen denkt, die ihre Arbeit verloren haben. Die Bundesagentur für Arbeit hat vor gut einem Jahr aufgehört, den Werdegang der arbeitslosen Schlecker-Mitarbeiter zu verfolgen. Nach den letzten Zahlen vom vergangenen März suchten von zunächst 23 476 arbeitslos gemeldeten Menschen noch 9127 einen Job. In Hoffmanns eigenem Büro erinnert nicht mehr viel an ihren früheren Arbeitgeber. „Davon habe ich mich frei gemacht.“

Überhaupt wurde es zuletzt ruhig um Schlecker: Die Filialen sind längst geschlossen, der Versuch eines österreichischen Investors, einzelne Läden wiederzubeleben, scheiterte – und im vergangenen Jahr zahlte die Familie von Firmengründer Anton Schlecker schließlich die letzten Millionen an den Insolvenzverwalter.

Zu Ende ist die Geschichte damit aber keineswegs – und das nicht nur, weil ein Produzent das Schicksal einzelner Frauen in einer Schleckerfiliale, die geschlossen werden soll, als TV-Komödie verfilmen will. Einholen könnten die Ereignisse vor allem den Firmengründer selbst: Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt derzeit noch gegen Anton Schlecker. Es geht dabei etwa um den Verdacht auf Untreue und Insolvenzverschleppung.

Ein Ende der Ermittlungen ist nach Angaben einer Sprecherin wegen der hohen Aktenberge vorerst aber nicht in Sicht. Sollte es zur Anklage kommen, hat Christel Hoffmann ihr Büro also womöglich längst dichtgemacht. Was danach mit ihr passiert, weiß die 60-Jährige nicht.

 
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