Die Deutschen lieben ihre klassische Lebensversicherung. Allen Diskussionen über Niedrigzins und Bewertungsreserven zum Trotz verzeichnen die Versicherer sogar eine steigende Nachfrage. Und sie machen bislang kein schlechtes Geschäft damit.
Marktführer Allianz schaffte im vergangenen Jahr drei Milliarden Euro Betriebsgewinn in der Leben-Kranken-Sparte. Der Vorsitzende des Bundes der Versicherten, Axel Kleinlein, findet das zum Haare raufen: „Den Versicherern geht es gut, den Kunden schlecht.“
Kleinlein sieht die klassische Kapital-Lebensversicherung für Berufsanfänger oder junge Familien kritisch: „Die meisten wissen noch gar nicht, ob sie später zum Beispiel eine Wohnung kaufen oder sich vielleicht selbstständig machen wollen. Aber sie binden sich vertraglich, über Jahrzehnte feste Prämien zu zahlen.“ sagte Kleinlein.
„Drei Viertel der Kunden mit 35 Jahren Laufzeit halten sie nicht durch, sondern kündigen vorher. Und das ist teuer.“ Die klassische Lebensversicherung kopple meist einen schlechten Sparvertrag mit einem zu geringen Schutz im Todesfall. Inzwischen wurde auch noch der Garantiezins für Neuverträge auf 1,75 Prozent gesenkt. „Da bleibt meist nicht viel mehr übrig als der eingezahlte Beitrag“, sagte Kleinlein. Die Allianz, die Ergo und andere Lebensversicherer in Deutschland wollen in Kürze mit neuen Lebensversicherungen auf den Markt, mit garantiertem Erhalt der eingezahlten Beiträge statt mit jahrzehntelanger Zinsgarantie auf den Sparanteil, der in der Regel etwa 90 Prozent der Prämie ausmacht. Für Kleinlein nur Augenwischerei: „Das ist nur alter schlechter Wein in dreckigen Schläuchen.“ In einem Punkt immerhin ist der Lobbyist der Versicherten mit den Versicherern einig: Beide kritisieren, dass die Schuldenberge der Staaten durch die Politik des billigen Geldes zulasten der Sparer abgebaut werden. „Die Vorschriften erzwingen Kapitalanlagen, die weder zum Wohl der Unternehmen noch ihrer Kunden sind. Da werden auch südeuropäische Euro-Staatsanleihen als vollkommen risikolos eingestuft, im Gegensatz zu Aktien auch von soliden Konzernen – das ist sehr schablonenhaft“, sagt Kleinlein. Allianz-Chef Michael Diekmann sagt es ähnlich. „Die Zeche zahlen die Sparer“, erklärte er kürzlich bei der Vorlage seiner Jahresbilanz. „Normal müsste man bei dem Zinsumfeld ein Drittel mehr sparen, um das gleiche Ergebnis zu erhalten. Aber wer kann sich das eigentlich noch leisten? Wir haben eine Welle von Leuten, die sagen: Das lohnt sich ja gar nicht mehr!“ Gleichzeitig aber gebe es ein lebhaftes Interesse an langfristigen Garantien mit Blick auf die Altersvorsorge: „Die Nachfrage nach den klassischen Produkten ist ungebrochen“, sagte der Allianz-Chef.
Im Augenblick sieht es für die Allianz und für die Versicherten noch ganz gut aus. Finanzvorstand Maximilian Zimmerer legt den größten Teil der annähernd 425 Milliarden Euro für die Lebens- und Krankenversicherungen in Staatsanleihen, Pfandbriefen und Unternehmensanleihen an.
Bei den Staatsanleihen streut er inzwischen breit – außer Italien sind die Euro-Krisenländer im Depot fast nicht mehr vertreten. Die Rendite seiner festverzinslichen Wertpapiere brachte im vergangenen Jahr eine laufende Verzinsung von 4,0 Prozent – im Vergleich zu den 1,3 Prozent der Bundesanleihen. Und selbst die Neuanlagen für die Lebensversicherungen werfen 3,6 Prozent ab.