Der Strafprozess gegen den Co-Chef der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen, und ehemalige Top-Banker ist auf der Zielgeraden. Gut drei Monate lang hat das Landgericht München Zeugen vernommen und Dokumente gesichtet, um zu klären, ob die Banker vor vier Jahren im Fall Kirch die Richter täuschen wollten. Nach dem 12. Verhandlungstag am Dienstag haben Fitschen und die anderen Angeklagten Sommerpause bis Ende August. Danach wird es ernst: Die Zeugenliste ist weitgehend abgearbeitet, im September oder Oktober könnte es ein Urteil geben.
Müssen Fitschen und die Angeklagten mit einer
Verurteilung rechnen?
Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt davon, dass die Top-Banker vor vier Jahren einen gemeinsamen Tatplan verfolgt haben, um Richter des Oberlandesgerichts München zu täuschen. Damit wollten sie laut Anklage verhindern, dass die Deutsche Bank den Erben des Medienunternehmers Leo Kirch Schadenersatz zahlen musste: Versuchter Prozessbetrug in einem besonders schweren Fall nennen die Ankläger dies. Leicht zu beweisen sind die Vorwürfe aber nicht – und es ist fraglich, ob die Richter am Ende von der Anklage überzeugt sein werden. „Eine Verurteilung kommt nur in Betracht, wenn kein vernünftiger Zweifel an der Schuld besteht“, stellte Richter Peter Noll vor wenigen Wochen klar.
Dieser Satz ließ die Angeklagten aufhorchen – auch wenn Noll damit nur die juristische Grundregel „Im Zweifel für den Angeklagten“ ausgesprochen hat.
Am Anfang des Prozesses war die Stimmung auf der Anklagebank noch sehr angespannt. Fitschen wechselte kaum ein Wort mit seinen Vorgängern Josef Ackermann und Rolf Breuer, die vor ihm sitzen. Auch der ehemalige Aufsichtsratschef Clemens Börsig und Ex-Vorstand Tessen von Heydebreck schwiegen meist. Inzwischen ist die Atmosphäre lockerer, in den Pausen sprechen die Angeklagten miteinander oder mit ihren Anwälten. Nur Breuer hält sich meistens heraus: Oft steht er, an den Richtertisch gelehnt, im Saal und beobachtet das Geschehen mit versteinerter Miene. Die Vorwürfe der Anklage hatte er, genau wie die anderen Angeklagten, vehement zurückgewiesen. Allerdings hat Richter Noll mehrmals durchblicken lassen, dass er Breuers öffentliche Äußerungen über die mangelnde Kreditwürdigkeit Kirchs im Jahr 2002 für einen Fehler hielt. „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“, meinte Noll.
Als ein wichtiger Zeuge wurde in der vergangenen Woche der ehemalige Kirch-Manager Dieter Hahn vernommen. Er schilderte den Richtern die dramatischen Monate vor dem Insolvenzantrag der Kirch-Gruppe im April 2002. Entscheidend für den Niedergang war aus seiner Sicht das Interview von Breuer. „Das ist aus meiner Sicht die Wasserscheide gewesen“, sagte der Medienmanager als Zeuge. Nach dem Interview hätten die Banken nicht mehr mit Kirch gesprochen, sondern nur noch über ihn. Gemeinsam mit Kirch kämpfte Hahn nach der Pleite mit Erfolg um Schadenersatz von der Deutschen Bank: Letztlich zahlte sie 925 Millionen Euro. Das lohnte sich auch für Hahn: Er erhielt eine Erfolgsbeteiligung von 200 Millionen Euro vor Steuern von der Kirch-Familie, wie er gegen seinen Willen preisgeben musste. Seine Glaubwürdigkeit als Zeuge hält sich nach Einschätzung der Verteidiger angesichts dieser Summe in Grenzen.
Nach der Sommerpause geht es am 28. August weiter. Als Zeuge ist einer der Richter geladen, der den Schadenersatzprozess gegen die Deutsche Bank vor vier Jahren geführt hatte. Ein weiterer Zeuge soll am 15. September vernommen werden. Weitere sind derzeit nicht geladen. Somit könnte es danach zum Abschluss des Prozesses kommen. Der bislang letzte Tag, den das Gericht eingeplant hat, ist der 13. Oktober. „Ein Glückstag“, kommentierte Noll das Datum – und sorgte auch mit dieser Bemerkung für Aufmerksamkeit.