Es geht um Renditen von Staatsanleihen und mathematische Formeln: Wenn sich in den nächsten Wochen Versicherungsmathematiker Gedanken über die Entwicklung des Garantiezinses bei klassischen Lebensversicherungen machen, hat das Folgen für Verbraucher. Das Bundesfinanzministerium entscheidet auf Grundlage der Empfehlung der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) über die Höhe des Garantiezinses für Neuverträge. Seit geraumer Zeit kennt er nur eine Richtung – abwärts: Seit Jahresanfang liegt er bei mageren 1,25 Prozent, in der Spitze konnten Versicherte mit bis zu vier Prozent rechnen.
Stephan Kalb, Teamleiter der deutschen Versicherungsanalyse bei der Ratingagentur Fitch hält eine Änderung des Garantiezinses – auch Höchstrechnungszins genannt – vor 2017 für unwahrscheinlich. In der Vergangenheit sei der Zins maximal alle drei Jahre angepasst worden, auch weil der Aufwand für die Umstellung der IT bei den Versicherern hoch sei. „Nach der gerade zum 1. Januar 2015 erfolgten Absenkung, hat derzeit niemand Interesse, den Garantiezins sofort wieder zur Diskussion zu stellen“, sagt auch Reiner Will, Geschäftsführer der auf die Branche spezialisierten Ratingagentur Assekurata. Auf Basis der Berechnungsmethodik dürfte sich vor 2017/2018 kein Handlungsfeld ergeben. Das Thema werde aber auf der Tagesordnung bleiben. „ das Niedrigzinsumfeld beherrscht weiter das Geschehen am Markt“.
Nicht nur Sparer leiden unter den anhaltenden Zinsflaute, sondern auch die Lebensversicherer. „Wir sind Akteure am Kapitalmarkt und bewegen uns nicht losgelöst davon“, heißt es beim Branchenverband GDV. Im Kampf gegen Mini-Inflation und Wirtschaftsflaute hat die Europäische Zentralbank die Märkte mit Geld geflutet. Staatsanleihen mit guter Bonität, in denen das Geld der Assekuranzen vor allem steckt, werfen kaum noch was ab. Die Unternehmen müssen dennoch die hohen Garantieversprechen der Vergangenheit erfüllen. Die Folge: Die Verzinsung bei Neuverträgen sinkt – auch gesetzlich gewollt. Die Versicherungsmathematiker – Aktuare genannt – stützen sich bei ihren Berechnungen auf einen Durchschnittswert der Renditen europäischer Staatsanleihen in der Regel mit zehnjähriger Laufzeit. Der Garantiezins darf laut Gesetz höchstens 60 Prozent der durchschnittlichen Rendite der Anleihen in den zurückliegenden zehn Jahren erreichen. So soll sichergestellt werden, dass sich Unternehmen bei den Zusagen nicht übernehmen und ihre Versprechen auch in ferner Zukunft erfüllen können. Versicherer dürfen ihren Kunden zwar eine geringere, aber keine höhere Verzinsung fest zusagen. Faktisch unterbietet aber kaum ein Unternehmen die staatliche Vorgabe. Hinzu kommen weitere Komponenten wie die Überschussbeteiligung, die von der Geschäftsentwicklung des Versicherers abhängt. Die laufende Verzinsung aus Garantiezins und Überschussbeteiligung ist 2015 nach Berechnungen von Assekurata für neu abzuschließende private Rentenversicherungen im Schnitt auf 3,16 Prozent gefallen. Zuvor waren es noch 3,4 Prozent, die Versicherte auf den Sparanteil – Einzahlungen minus Kosten – erhielten. Für viele ältere Verträge gibt es allerdings mehr, weil der Garantiezins oft über der laufenden Verzinsung liegt.
„Für viele Bestandskunden ist die Lebensversicherung im heutigen Kapitalmarktumfeld immer noch ein attraktives Produkt“, sagt Will mit Blick auf Minizinsen, die etwa Sparbuch oder Tagesgeld bringen. Für Neukunden sinke die Attraktivität. „Sie müssen die hohen Zinsen der Altkunden mitfinanzieren“. Neukunden sollten darauf achten, einen finanzstarken Versicherer auszuwählen. „Die vergangenen Zinssenkungen werden dazu führen, dass Produkte mit Garantiezins gegenüber anderen Angeboten an Attraktivität verlieren“, sagt auch Kalb. Mehrere Assekuranzen bieten inzwischen Verträge ohne Zinsgarantie. Zugesichert werden der Erhalt der eingezahlten Beiträge und später eine Mindestrente.