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FRANKFURT
Eine Welt ohne Bares?
Klingt gut: Knapp 80 Prozent aller Transaktionen werden laut Bundesbank in Geldscheinen und Münzen abgewickelt.Andreas Gebert, dpa
Foto: Foto: | Klingt gut: Knapp 80 Prozent aller Transaktionen werden laut Bundesbank in Geldscheinen und Münzen abgewickelt.Andreas Gebert, dpa
reda
 |  aktualisiert: 26.12.2015 10:02 Uhr

Für die meisten Deutschen ist es selbstverständlich, kleinere und mitunter größere Einkäufe bar zu bezahlen. Knapp 80 Prozent aller Transaktionen werden laut Bundesbank in Geldscheinen und Münzen abgewickelt. Jetzt aber scheint eine Debatte nach Deutschland zu schwappen, die auf den ersten Blick absurd erscheint: Das Bezahlen mit Bargeld solle eingeschränkt, im Extremfall sogar verboten werden.

Wer will Bargeld abschaffen?

Für ein Ende des Bargelds hat sich am Wochenende der Würzburger Wirtschaftsweise Peter Bofinger ausgesprochen. „Bei den heutigen technischen Möglichkeiten sind Münzen und Geldscheine tatsächlich ein Anachronismus“, sagte er dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. Mit anderen Worten: Bargeld ist veraltet und letztlich überflüssig. Bofingers Vorstoß ist nicht neu. Ähnliche Vorschläge haben amerikanische Ökonomen wie der ehemalige Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds (IWF), Kenneth Rogoff, oder Ex-Finanzminister Larry Summers gemacht. Sie sprechen sich ebenfalls für eine Welt ohne Bares aus.

Warum soll es kein Bargeld mehr geben?

Befürworter einer bargeldlosen Wirtschaft nennen im Wesentlichen zwei Gründe für ihre Position. Das erste Argument ist vergleichsweise einleuchtend: Bargeld werde für illegale Aktivitäten bevorzugt verwendet, beispielsweise für das Reinwaschen von Drogengeld, bei der Steuerhinterziehung oder in der Schwarzarbeit. Ein Bargeld-Stopp würde dem einen Riegel vorschieben. Das zweite Argument ist komplizierter, es geht um die Geldpolitik der Zentralbanken.

Was hat Bargeld mit Geldpolitik zu tun?

Geldpolitik funktioniert nicht über Bargeld, sondern über „Buchgeld“. Dazu gehören Spareinlagen und Bankkredite. Eine Zentralbank – also die Bank der Banken – kann die Spar- und Kreditzinsen in gewissem Umfang steuern, indem sie ihre Leitzinsen verändert. Im Euroraum sind die Zinsen nicht nur extrem tief, sie liegen teils im Minus. Rutschen die Zinsen zu tief ins Minus, steigt für Verbraucher und Unternehmen der Anreiz, Geld nicht mehr auf ihr Konto zu stellen, sondern in Münzen und Geldscheinen zu horten. Das bedeutet: Bargeld begrenzt die Möglichkeiten einer Notenbank, in Krisenzeiten die Wirtschaft durch billiges Geld anzuschieben.

Ist das Ganze nicht eine rein wissenschaftliche Debatte?

Ja und nein. In der deutschen Politik gibt es bisher keine große Diskussion über die Abschaffung von Bargeld. Auf der anderen Seite gibt es in Ländern, in denen Bargeld eine geringere Rolle als in Deutschland spielt, Entwicklungen, die in diese Richtung gehen. Beispielsweise will die dänische Regierung den gesetzlichen Zwang zur Annahme von Bargeld – den es auch in Deutschland gibt – lockern. Einzelhändler, Tankstellen und Restaurants sollen vom nächsten Jahr an keine Geldscheine oder Münzen mehr annehmen müssen. In der Schweiz scheinen Großanleger wie Rentenkassen wegen des dort stark negativen Leitzinses zu überlegen, größere Beträge in bar zu horten.

Was sagen Kritiker zur Bargeldabschaffung?

Ein Argument der Gegner lautet, dass nicht nur Bargeld für illegale Aktivitäten verwendet wird. Als Beispiel werden häufig „Bitcoins“ genannt – eine virtuelle Internetwährung, die nicht von Zentralbanken ausgegeben wird und sich ihrer Kontrolle entzieht. Mit Blick auf die Geldpolitik wird argumentiert, eine Abschaffung des Bargelds diene in erster Linie dazu, den Notenbanken ihren extrem lockeren und – so die Kritiker – verfehlten Krisenkurs zu erleichtern. Eine Folge von sehr niedrigen Zinsen oder gar negativen Zinsen ist nämlich, dass Sparer belastet und Kreditnehmer entlastet werden. Mit der Abschaffung des Bargelds würde den Sparern die Möglichkeit genommen, einer Entwertung ihrer Guthaben auszuweichen.

 
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