Der deutsche Urlauber ist offenkundig alles andere als experimentierfreudig. Oder anders ausgedrückt: „Der deutsche Markt zeichnet sich durch eine stabile, sehr stabile Situation aus“, formuliert Ulf Schrader von der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR). Sie legte bei der weltgrößten Reisemesse, der Internationalen Tourismusbörse ITB, die Reiseanalyse 2013 vor. Das Ergebnis zeugt seit Jahren von „Stabilität“: Wenn die Bundesbürger auf Reisen gehen, dann zieht es sie zu jeweils rund einem Drittel ins eigene Land, in die Länder rund ums Mittelmeer und in den Rest der Welt. Spanien, Italien, die Türkei und Österreich geben bei den Auslandszielen den Ton an, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein bei den Inlandszielen.
Chinesen sind Reiseweltmeister
Und klar ist auch: Krise ist anderswo. Kaum einer anderen Branche geht es hierzulande beständig so gut wie dem Tourismus. 62 Prozent der Deutschen sind laut FUR „regelmäßig Reisende“ – gehen also mindestens einmal im Jahr in einen Haupturlaub von durchschnittlich 13 Tagen Dauer. Dabei haben sie im vergangenen Jahr 63,3 Milliarden Euro Umsatz gemacht – das ist der bisher höchste gemessene Wert. Ein Ende ist nicht in Sicht: Für dieses Jahr prognostizieren Volkswirte 66 Milliarden Euro Tourismus-Umsatz. Und das, obwohl die Deutschen den Titel der Reiseweltmeister sogar abgegeben haben an die Chinesen.
Kein Wunder, dass auf der ITB viel Optimismus zu spüren ist. Selbst Länder wie Griechenland oder Tunesien, deren politische Wallungen sich in der Vergangenheit aufs Tourismusgeschäft niedergeschlagen haben, geben sich zuversichtlich: Seit Jahresanfang werden aus den Reisebüros teils zweistellige Zuwachsraten bei den Buchungen gemeldet. „Die Mehrheit der Deutschen sitzt auf gepackten Koffern“, sagt Jürgen Büchy, Präsident des Deutschen Reiseverbandes DRV, und Urlaub genieße hierzulande „höchste Priorität“.
Städtereisen im Trend
Das Nürnberger Marktforschungsunternehmen GfK hat auch einen wichtigen Träger des Wachstums ausgemacht: Vor allem einkommensstarke Haushalte mit einem Nettoeinkommen von mindestens 3250 Euro haben daran überdurchschnittlich Anteil. So lägen Luxusreisen im Sommer 2013 in der Gunst der Urlauber vorne, heißt es denn auch bei den großen Anbietern TUI und Thomas Cook oder „hochwertige Reisen sind ein Wachstumsfeld“ bei Jahn-Reisen.
Was die Reisezukunft bringt? „Das Massengeschäft mit dem klassischen Strandurlaub wird in den nächsten zehn Jahren das Brot- und Buttergeschäft bleiben“, heißt es beim DRV. Das sagt auch die FUR: Sie hat die Interessen der Deutschen abgefragt und erfahren, dass weiter „Stabilität“ angesagt ist und das Interesse der Deutschen an Sonne- und Strand-Mittelmeerzielen „hoch“ bleibt. Noch ein Trend, der kein Ende kennt, ist der zur kurzen Städtereise. 16 Millionen Städtereisende wurden 2012 gezählt (2003: sieben Millionen). Dabei muss es nicht immer die Trend-Metropole Berlin sein, gerade die kleineren unter den deutschen Städten finden immer mehr Interessenten. Es gibt also doch ein bisschen Wandel.
Der klopft im Übrigen mächtig bei der Art der Reisebuchung an. Allein im vergangenen Jahr habe der Online-Umsatz bei Reisen um 21 Prozent zugelegt, sagte Michael Buller vom Verband Internet Reisevertrieb (vir) beim „Online Summit 2013“ auf der ITB. Er sieht dank Smartphone, Tablet und Netbook, dank mobilem Internet also, goldene Zeiten auf die Online-Portale zukommen, weil der Kunde nun überall erreichbar sei und er Anbieter auch von überall aus erreichen könne. Die Zahl der Reise-Online-Portale hat sich laut FUR zwischen 2005 und 2012 verdoppelt, die der Onlinebuchungen fast verdreifacht. 55 Prozent der Deutschen haben sich über Reisethemen schon einmal im Internet informiert, 34 Prozent auch schon mal gebucht. Gebucht werden vor allem Unterkunftsleistungen – also Hotel & Co. –, Pauschalreisen und Flugtickets.
Online-Vertrieb legt zu
Herbert Lechner von der GfK-Mobilitätsforschung spitzt die Entwicklung in einer Momentaufnahme auf die derzeitige Buchungslage für den Sommerurlaub 2013 zu: Während die Zuwachsraten zu vier Prozent aus dem klassischen Reisebüro kommen, kommen sie gleichzeitig zu zehn Prozent aus dem Online-Vertrieb. Ist das klassische Reisebüro um die Ecke also passé? Ulf Sonntag von der FUR findet das nicht. „Es wird immer eine Klientel geben, die die direkte Ansprache sucht“, sagt er und spricht vom langfristigen Strukturwandel. Und Dörte Nordbeck von der GfK betont: „Das klassische Reisebüro hat seine Stärke in der Beratung. Es ist immer dann gefragt, wenn’s komplex wird.“ Christian Clemens, neuer Deutschland-Chef bei Marktführer TUI, wird da schon deutlicher: „In fünf Jahren werden 40 Prozent der Reisen über das Internet gebucht“, sagte er am Rand der ITB.
Die ITB in Berlin dauert bis Sonntag. Erwartet werden 170 000 Besucher – 110 000 sind Fachbesucher. Am Samstag und Sonntag ist die Messe fürs Publikum offen, es können erstmals auch Reisen direkt an den Ständen gebucht werden.
Deutsche lieben Mallorca
Die Balearen bleiben das beliebteste Flugziel der Deutschen. Mit einem Plus um 3,6 Prozent auf 4,1 Millionen Passagieren aus Deutschland feierten Mallorca und Co. im vergangenen Jahr einen neuen Rekord, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch anlässlich der Tourismusbörse ITB in Berlin mitteilte.
Insgesamt stieg die Zahl der Fluggäste aus Deutschland mit Auslandsziel um 2,8 Prozent auf 77,3 Millionen. In Europa mussten die Griechen die größten Rückgänge verkraften. Aus Deutschland kamen noch 2,06 Millionen Fluggäste nach Hellas, 10,2 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Überdurchschnittlich legten asiatische Ziele zu. text: dpa