
Es war ein rabenschwarzer Tag für die Großen der Bankenlandschaft in Europa und den USA. Während in Brüssel EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia führende Häuser wie die Deutsche Bank, die französische Société Générale, die Bank of Scotland und sieben weitere zu einer Strafe von 1,7 Milliarden Euro verdonnerte, waren die Ermittler der internationalen Aufseher schon wieder unterwegs. Ging es gerade noch um verbotene Absprachen der Referenzkurse Libor und Euribor, dreht es sich nun um Manipulationen von Währungskursen.
„Es ist ein gewaltiger Sumpf, der sich da auftut“, sagte einer der Fahnder am Mittwoch gegenüber unserer Zeitung. Und zu den Opfern gehört in beiden Fällen auch der Verbraucher. „Wir wollen bestrafen und abschrecken“, begründete der Brüsseler Wettbewerbshüter Joaquín Almunia die höchste Strafe, die die Union jemals verhängt hat. 725,4 Millionen Euro muss die Deutsche Bank zahlen, die französischen Banker sind mit 446 Millionen dabei.
Citigroup und JP Morgan Chase werden 80 bzw. 70 Millionen an die Gemeinschaftskasse überweisen müssen. Die Schweizer UBS sowie das britische Haus Barclays blieben straffrei, weil sie den Skandal angezeigt hatten. Es geht um die sogenannten Referenzkurse, zu denen sich die Häuser untereinander Geld leihen. Sie werden täglich in London (London Interbank Offered Rate, Libor) und in Brüssel (Euro Interbank Offered Rate, Euribor) festgesetzt. Beide Leitwerte bestimmen, was Finanzprodukte im Wert von tausend Billionen Euro – eine Zahl mit 15 Nullen – letztlich genau kosten.
Sie sind somit auch für private Kreditnehmer wichtig, weil Darlehen mit variablem Zinssatz davon abhängen. Wer einen Immobilienkredit laufen hat, zahlt also je nach Höhe des Libor bzw. Euribor mehr oder weniger. Sogar Sparguthaben könnten betroffen sein, mutmaßt man in der Kommission. Die beteiligten Institute hatten sich über Jahre abgesprochen, um die Referenzkurse hochzuhalten und Handelsgewinne einzustreichen. Bei der Deutschen Bank sprach man in einer ersten Stellungnahme von „Verhaltensweisen einzelner Mitarbeiter in der Vergangenheit“, leugnete aber auch nicht, dass es sich um „schwere Vergehen gegen Werte und Überzeugungen der Deutschen Bank“ handele. Die Geldbuße war bereits in den Rücklagen berücksichtigt worden, teilte das Institut mit. Es seien deshalb „keine materiellen zusätzlichen Rückstellungen“ für diesen Fall erforderlich. Der deutsche Branchenprimus hatte im dritten Quartal seine Rücklagen für die Affären der Vergangenheit um 1,2 Milliarden auf nun 4,1 Milliarden Euro erhöht. Das hatte den Gewinn einbrechen lassen. Der neue Skandal berührt den globalen Devisenmarkt, dessen Umfang auf täglich etwa fünf Billionen Dollar (rund 4,2 Billionen Euro) geschätzt wird. Nach Angaben der Ermittler haben die beteiligten Großbanken offenbar die Währungskurse zu einer bestimmten Uhrzeit beeinflusst und so mittels Kurswetten gewaltige Gewinne eingestrichen.
Tatsächlich gehören solche Spekulationen auf künftige Kursverläufe zu den verbreiteten Praktiken. Zu den Opfern zählen alle, die Währungen umtauschen, also auch Privatkunden. In einem ersten Schritt haben die Deutsche Bank sowie die US-Bank Citigroup, die britische Barclays und die Schweizer UBS sogenannte Multi-Party-Chatrooms im Internet für ihre Mitarbeiter gesperrt. In diesen Foren sollen sich die Händler abgesprochen und Kursschwankungen ausgelöst haben, hieß es am Mittwoch in Brüssel. Noch sei es allerdings zu früh, von einem weiteren Skandal zu sprechen. Bisher würden die Fahnder Hunderttausende Kurzmeldungen dieser Chat-Systeme auswerten. Wie das geht, wissen die Fachleute inzwischen. Auch den Manipulationen der Libor- und Euribor-Werte waren sie durch Kontrolle der Chat-Foren auf die Schliche gekommen.
Libor-Zins
Der Libor (London Interbank Offered Rate) wird seit den 1980er Jahren jeden Vormittag von der British Bankers' Association (BBA) als Referenzzinssatz in London festgelegt. An ihm orientieren sich weltweit die kurzfristigen Zinsen für eine ganze Reihe von Finanzmarktgeschäften. Für die Berechnung melden die nach Marktaktivitäten wichtigsten Banken weltweit die Zinsen, die sie aktuell für Kredite ihrer Konkurrenten zahlen müssten. Daraus wird ein Mittelwert errechnet. Der Libor ist über Jahre von Mitarbeitern mehrerer Großbanken manipuliert worden. Einige Geldhäuser mussten im Libor-Skandal bereits hohe Bußgelder zahlen, darunter die Rabobank. Text: dpa