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Dunkle Wolken über den Dächern
Solarindustrie: Die einstige Boombranche steht am Scheideweg. Deutsche Hersteller gehen insolvent, die Stromkosten steigen. Ist die viel gelobte Sonnenenergie am Ende, bevor es richtig losging?
Von unserem Mitarbeiter Michael Kerler
 |  aktualisiert: 11.12.2019 19:49 Uhr

In den vergangenen Monaten brauten sich immer mehr Gewitterwolken über ihr zusammen: Die Sonnenenergie – lange hellster Hoffnungsträger für ein neues, grünes Zeitalter – ist zum Sorgenkind geworden. Eine Wachstumsindustrie, die Tausende neue Jobs generiert hat, stürzt ab. Ist die Sonnenenergie in Deutschland gescheitert, noch bevor sie richtig in die Gänge kam? Eine Analyse in vier Schritten.

1. Die Pleiten in der Industrie

Die deutschen Hersteller von Solarmodulen müssen die letzten zwei Jahre als fortwährenden Alptraum empfunden haben. Eine Insolvenz reiht sich an die andere. Dabei war die Solarindustrie einst das Symbol für die ökologische Erneuerung der deutschen Industrie. Dort, wo in der DDR Chemiefabriken die Luft verpesteten, entstand eine neue Branche, um Deutschland mit sauberem Strom zu versorgen.

Davon ist nicht viel geblieben. Im Dezember 2011 ging das Berliner Solarunternehmen Solon pleite, es folgten Solar Millennium und im April 2012 der einst große Solarzellenhersteller Q-Cells in Bitterfeld. Einem Paukenschlag kam es gleich, als Bosch den Ausstieg aus dem Solargeschäft ankündigt, auch Siemens schließt seine Sparte. Im baden-württembergischen Blaubeuren musste sich der für die Solarbranche tätige Maschinenhersteller Centrotherm in einem Insolvenzverfahren sanieren. Diese Woche hat mit Solarworld der letzte große deutsche Solarzellenhersteller seinen Kopf gerade noch aus der Schlinge ziehen können. Der Solarboom hatte Firmengründer Frank Asbeck wohlhabend gemacht. Er war es, der TV-Moderator Thomas Gottschalk Schloss Marienfels bei Bonn abkaufte. Jüngst stimmten die Aktionäre einem radikalen Sanierungsplan für das Unternehmen zu. Von den einst 3500 Mitarbeitern sind 2600 geblieben.

Eine bittere Bilanz. Dabei war es gerade Deutschland, das der Solartechnik über Jahre mit Forschungsgeld, dem 100 000-Dächer-Programm und später dem Erneuerbare-Energien-Gesetz auf die Beine geholfen hat.

Kaum einer der Investoren hatte aber damit gerechnet, dass die Konkurrenz in China so schnell aufholt. „Etliche deutsche Hersteller wurden Opfer einer globalen Konsolidierungswelle, die durch weltweite Überkapazitäten, einen rückläufigen europäischen Markt sowie einen harten Preiskampf und Verdrängungswettbewerb ausgelöst wurde“, sagt heute David Wedepohl, Sprecher des Bundesverbandes Solarwirtschaft. „China raubt unsere Industrien“, formulierte es einmal Solarworld-Chef Asbeck. Dass die neuen EU-Strafzölle auf Solarmodule aus China die Situation verbessern, daran haben viele Branchenkenner Zweifel. Die Zölle seien schlicht zu niedrig.

2. Altmaiers „Solar-Bremse“

In Berlin ist die Energiepolitik inzwischen von der Sorge bestimmt, dass Strom zu teuer wird. Bundesumweltminister Altmaier kürzte deshalb die Photovoltaik-Förderung drastisch – allein 2012 um bis zu 30 Prozent. Der Zubau ging in den letzten Monaten um die Hälfte zurück. Für Altmaier ist das ein Erfolg: „Die Reform wirkt“, sagt er. Und sobald in Deutschland Photovoltaikanlagen mit einer Gesamtleistung von 52 Gigawatt installiert seien, sei mit der Förderung Schluss. Derzeit liege man bei 34 Gigawatt. Der Umweltminister rechnet damit, dass eine neue Photovoltaikanlage ab 2017/2018 ohne Einspeisevergütung auskommen muss.

3. Der Einbruch im Handwerk

Im Handwerk hinterließ der rigide Kurs in der Solarpolitik eine Schneise der Verwüstung. Einer, den das Hin und Her der Politik kalt erwischt hat, ist Elektromeister Franz Rebele. Der 55-Jährige hat mit seinem Betrieb in Buchdorf im Kreis Donau-Ries Solaranlagen in der Region installiert – ein Wachstumsgeschäft, das immer neue Jobs schuf. Nun ist es eingebrochen. „Unser Betrieb hat im Solarbereich noch rund 20 Prozent der Aufträge wie vor einem Jahr“, sagt Rebele. Der Bauboom beschert ihm zwar neue Arbeit, trotzdem musste er seinen Mitarbeiterstamm von 32 auf 26 abschmelzen.

Immer neue Vorschriften verunsicherten die Kunden, sagt Rebele. Da war die Kürzung der Einspeisevergütung oder die Pflicht zum Eigenstromverbrauch. „Ich bin frustriert“, sagt er über die Politik, „einfach frustriert.“ Dabei ist die Energiewende für den Handwerksmeister Überzeugungssache. Der Vater dreier Kinder glaubt fest, dass es eine Verantwortung für nachfolgende Generationen gibt: „Haben wir das Recht, binnen 150 Jahren Kohle und Erdöl zu verheizen, die in Hunderten Millionen Jahren entstanden sind?“, fragt er. Nun muss er beobachten, wie die frühere Wachstumsbranche Photovoltaik zusammenschnurrt.

Dabei ist das Interesse an Photovoltaik nicht verschwunden. Rebele baut noch immer Anlagen. Kleinere, spezialisiertere zwar, aber er baut sie. Früher habe er 100-Kilowatt-Anlagen installiert, heute sind es meist fünf bis 15 Kilowatt auf Einfamilienhaus-Dächern. Denn für Bauherren sei die Photovoltaik nach wie vor attraktiv. Nicht mehr, um den Strom ins Netz einzuspeisen, sondern um ihn selbst zu verbrauchen. Der Strom vom Dach sei billiger als der vom Energiekonzern, sagt Rebele.

4. Jede Menge Sonnenstrom

Am Pfingstmontag dieses Jahres konnte die Bundesrepublik ihren Energiebedarf zu 50 Prozent aus erneuerbaren Energien decken, bestätigt Jörg Mühlenhoff, Referent bei der Agentur für Erneuerbare Energien in Berlin. Die Bundesbürger hatten frei, die Bänder standen still, die Sonne strahlte, Photovoltaikanlagen und Windräder speisten Höchstmengen Strom ins Netz ein.

Was Mühlenhoff berichtet, ist eine Erfolgsgeschichte. Er sagt, dass heute in Deutschland Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von über 30 000 Megawatt installiert sind. Das ist rechnerisch so viel, wie 30 Kernkraftwerke leisten. Dabei werden immer neue Rekorde erzielt: „Dadurch, dass immer noch etwas zugebaut wird, steigt auch die Leistung“, sagt Mühlenhoff.

Für den 36-jährigen Politologen ist der Sonnenstrom auch nicht Hauptpreistreiber bei den Stromkosten. Denn die große Menge Ökostrom habe an der Strombörse den Preis sinken lassen. Hinzu komme, dass derzeit Kohlestrom billig hergestellt werden kann, da die Verschmutzungsrechte kaum Geld kosten. Zum Problem werde der billige Börsen-Strom, da die Betreiber von Sonnenstromanlagen eine deutlich höhere, gesetzlich garantierte Einspeisevergütung erhalten. Die Differenz trägt der Stromkunde als Ökostromumlage. „Wir haben letztlich kein Problem mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, sondern mit der Strombörse“, meint Mühlenhoff. Er glaubt, dass die Photovoltaik in Deutschland deshalb eine Zukunft haben wird: „Wenn Deutschlands es ernst meint mit der Energiewende, dann wird sie auf Wind und Sonne beruhen“, sagt er.

 
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