Ihre Umsätze liegen bei astronomischen 51 Billionen (rpt. Billionen) Euro im Jahr. Das entspricht 30 Prozent der Summe, die das gesamte weltweite Finanzsystem erreicht – und der Hälfte aller Bankaktiva. Aber sie haben keine Banklizenz und werden deshalb nicht oder nach völlig uneinheitlichen Maßstäben kontrolliert. Bis jetzt.
„Das Schattenbankenwesen ist für den europäischen Finanzmarkt systemrelevant“, sagte EU-Binnenmarkt-Kommissar Michel Barnier am Mittwoch, als er seinen Entwurf für eine künftige Überwachung dieser Institutionen vorlegte. Doch das Papier enttäuschte Beobachter auf der ganzen Linie.
Noch zu Wochenanfang hatten die beiden Finanzminister von Deutschland und Frankreich, Wolfgang Schäuble und Pierre Moscovici, in einem Brief an Barnier gefordert, vor allem solche Fonds zu verbieten, die ihren Kunden stabile Rückkaufswerte versprechen – unabhängig vom Kursverlauf. Der Kommissar aber hat einen solchen Eingriff nicht vorgesehen. Stattdessen sollen die umstrittenen Geldmarktfonds neben umfassender Offenlegung ihres Kapitalstocks und der Portfolios künftig drei Prozent Eigenkapitalbasis aufbauen. „Das reicht bei Weitem nicht aus, um Notverkäufe abzufangen“, kommentierte der Grünen-Finanzexperte Sven Giegold gestern. Sein SPD-Kollege Udo Bullmann meinte, „es ist fraglich, ob ein Kapitalpuffer in dieser geringen Höhe ausreicht“. Der Bundesfinanzminister ist sich dagegen bereits sicher, dass Barniers Vorschlag nicht ausreicht. Sein Sprecher Martin Kotthaus betonte unmittelbar nach der Vorlage, dass der vorgeschlagene Kapitalpuffer zu niedrig sei. Außerdem sollten die Fonds feste Anteile in variable umwandeln, „um im Falle einer Krise nicht leergesaugt zu werden“.
Die umstrittenen Geldmarktfonds werden von vielen institutionellen Anlegern wie Unternehmen, Geldhäusern und sogar Regierungen genutzt, um kurzfristig Kapital zu parken. Auf den ersten Blick, so heißt es im Papier der Kommission, böten diese Fonds die gleichen Leistungen wie ein Bankkonto – also „unmittelbaren Zugang zu Liquidität und relative Wertestabilität“. In Wirklichkeit aber seien sie kaum mehr als „klassische Investment-Fonds, mit eigenen Marktrisiken“.
Gerieten solche Fonds in eine Krise, könnten sie ihre Versprechungen, „Anteile zurückzukaufen und ihren Wert zu halten“, nicht sicherstellen. Das könnte dazu führen, dass verängstigte Investoren massenweise ihr Geld wieder abziehen wollen – mit dramatischen Erschütterungen, die sich auf das gesamte Finanzsystem auswirken würden. Vor diesem Hintergrund hatten bereits der Finanzstabilitätsrat (FSB), ein internationales Beratergremium zur Lage auf den Märkten, ebenso wie der Europäische Systemrisikorat (ESRB), ein bei der Europäischen Zentralbank angesiedeltes Frühwarnsystem, dazu geraten, die Tätigkeit der Fonds nicht nur einzuschränken, sondern zu untersagen.
Dass Barnier sich von solchen Forderungen distanzierte, hat einen Grund. 95 Prozent der in Europa vertretenen Geldmarktfonds konzentrieren sich auf drei Länder: Irland, Luxemburg und Frankreich, die Heimat des Kommissars. Allerdings begrüßte auch der Präsident des Bundesverbandes Deutscher Banken und Co-Chef der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen, die Vorlage Barniers als „wichtigen Baustein für mehr Stabilität im Finanzsektor“.
Zwar habe die Kommission bereits einige Verordnungen erlassen, mit denen die Tätigkeiten der Schattenbanken ebenso wie die der Geldmarktfonds reguliert würden. „Aber ohne Transparenz und eine ausreichende statistische Datenbasis läuft das alles in Leere.“ Mit anderen Worten: Brüssel soll sich erst einmal sachkundig machen, ehe man neue Gesetze vorschlägt. Tatsächlich dürfte Barnier an seinem Vorschlag nicht wirklich viel Freude haben. Im Europäischen Parlament formiert sich bereits der Widerstand gegen die als „zu weich“ empfundenen Eingriffe.
Schattenbanken
Sie erfüllen ähnliche Funktionen wie Banken – unterliegen aber fast keiner Kontrolle. Schattenbanken bewegen sich in einer Grauzone. Als Schattenbanken gelten etwa Geldmarktfonds, börsengehandelte Indexfonds und spezielle Zweckgesellschaften. Bekanntere Beispiele sind Hedgefonds oder Private-Equity-Firmen (externe Kapitalgeber, die den Unternehmen außerbörslich Eigenkapital zur Verfügung stellen). Schattenbanken sammeln Kapital ein, sind als Kreditvermittler tätig oder sichern Kredite ab. Sie arbeiten vor allem mit Fremdkapital. Geldhäuser nutzen Schattenbanken als Handelspartner, um Risiken loszuwerden. Es geht in diesem Sektor um Billionen, die Größe kann nur geschätzt werden. Die führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) wollen das Problem seit der Finanzkrise angehen. text: dpa