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WIESBADEN
Drei Prozent mehr sind drin
Mehr Geld: Mitarbeiter des Chemiekonzerns Lanxess. Die Bezüge der Chemiearbeiter stiegen vergleichsweise kräftig im ersten Quartal.
Foto: Lanxess | Mehr Geld: Mitarbeiter des Chemiekonzerns Lanxess. Die Bezüge der Chemiearbeiter stiegen vergleichsweise kräftig im ersten Quartal.
reda
 |  aktualisiert: 16.05.2014 16:31 Uhr

Der private Konsum ist zur wichtigen Stütze des deutschen Wirtschaftsaufschwungs geworden. Niedrige Zinsen, sichere Jobs und nicht zuletzt höhere Gehälter haben die Deutschen dazu gebracht, ihr Geld auszugeben und das Land zum einsamen Wachstumsmeister in Europa zu machen. Die aktuellen Tarifabschlüsse deuten darauf hin, dass die Entwicklung einstweilen so weitergeht. Im laufenden Jahr wird parallel zum Wirtschaftswachstum der höchste Reallohnzuwachs seit 2010 erwartet.

Vor dem Hintergrund der derzeitigen geopolitischen Unsicherheiten und der Sorge um eine Konjunkturabkühlung in den Schwellenländern sei es erfreulich, dass der Aufschwung in Deutschland von der Binnennachfrage getragen werde, sagt Volkswirt Stefan Kipar von der BayernLB. „Die deutsche Konjunktur ist somit weniger anfällig auf außenwirtschaftliche Risiken.“

Die jüngsten Tarifabschlüsse weisen meist eine Drei vor dem Komma auf, wie die jüngste Aufstellung des Statistischen Bundesamtes vom Freitag zeigt. Allerdings sind dabei nicht die Auswirkungen der verschiedenen tarifpolitischen Instrumente berücksichtigt, die die aufs Jahr gerechneten Entgeltsteigerungen noch schmälern können. Die schlichteste ist dabei die Laufzeit: Drei Prozent auf ein Jahr sind wesentlich mehr als drei Prozent auf zwei Jahre. Im ersten Fall kann bereits nach zwölf Monaten die nächste Lohnerhöhung greifen, beispielsweise erneut um drei Prozent.

Im Repertoire der Tarifpartner stecken zusätzlich noch Nullmonate, Einmalzahlungen, mögliche Verschiebungen bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten einzelner Unternehmen oder auch mehrere, möglicherweise unterschiedlich lange Tarifstufen. Nach Auswertungen des gewerkschaftlichen WSI-Tarifarchivs hatten deutsche Tarifverträge im vergangenen Jahr eine durchschnittliche Laufzeit von knapp 23 Monaten.

Die aufs Jahr bezogene Berechnung ist eine zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern höchst umstrittene Kunst, auch weil sie die Abschlüsse ihren jeweiligen Mitgliedern gegenüber als hart errungenen Kompromiss verkaufen müssen.

Die IG BCE hatte im Februar dieses Jahres für die rund 550 000 Chemie-Beschäftigten einen kräftigen Pflock eingeschlagen. In dem Abschluss über 14 Monate steckten Nullmonat und Verschiebemöglichkeit für schwache Unternehmen. Die mittelfristige reale Belastung der Unternehmen – oder umgekehrt das Plus in den Taschen der Arbeitnehmer – liegt ohne Berücksichtigung der flexiblen Elemente bei etwa 3,2 Prozent pro Jahr und damit weit über der für Deutschland für 2014 erwarteten Inflationsrate von etwa 1,4 Prozent.

Im vergangenen Jahr hatten die deutschen Tarifbeschäftigten bei einer Inflation von 1,5 Prozent im Schnitt 2,4 Prozent brutto mehr auf dem Gehaltszettel als zuvor. Der reale Einkommenszuwachs war keineswegs selbstverständlich, wie ein Blick auf die gesamte Arbeitnehmerschaft zeigt: Die Reallöhne, die auch Boni und nicht-tarifliche Gehälter beinhalten, sind 2013 erstmals seit dem Krisenjahr 2009 wieder gesunken, wenn auch nur um 0,2 Prozent. Die Unternehmen haben sich angesichts der lauen Konjunktur bei den Sonderzahlungen zurückgehalten, vermutet der Arbeitskostenexperte des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft, Christoph Schröder. Für dieses Jahr sagt der gewerkschaftsnahe Ökonom Gustav Horn nun aber einen starken realen Lohnzuwachs von 1,5 Prozent voraus. „Deutschland hat damit endlich wieder Aussichten auf einen Aufschwung, von dem breite Bevölkerungsschichten profitieren“, sagte er der „Bild-Zeitung“.

Die andere starke Tariflokomotive in Deutschland, die Metall- und Elektro-Industrie mit rund 3,7 Millionen Beschäftigten, zieht erst wieder zur Jahreswende an, wenn der vorige Vertrag aus dem Mai 2013 ausläuft. Die Höhe der Forderung ist bei der IG Metall bislang noch kein öffentliches Thema. Vielmehr wird 30 Jahre nach dem erstreikten Einstieg in die 35-Stunden-Woche darüber nachgedacht, wie man die Arbeitszeit für bestimmte Beschäftigtengruppen bei vollem Lohnausgleich reduzieren kann, wenn zum Beispiel kleine Kinder erzogen oder ältere Angehörige gepflegt werden müssen.

 
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