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BRÜSSEL
Draghi zieht die Notbremse
Draghi zieht die Notbremse
reda
 |  aktualisiert: 13.01.2016 11:06 Uhr

Es ist eine gewaltige Summe von rund 1,1 Billionen Euro, mit der die Europäische Zentralbank ab März wertlos gewordene Staatsanleihen aufkaufen wird. Doch was bringt das?

Was will die EZB mit dem Aufkauf von Staatsanleihen erreichen?

Die bisherigen Maßnahmen der Eurobank haben ihr wichtigstes Ziel nicht geschafft: Viele kleine und mittelständische Unternehmen vor allem im Süden der Währungsunion kommen nur schwer an Kredite. Nicht einmal die derzeit niedrigen Zinsen haben diese Situation entschärft. Das liegt nach Einschätzung der EZB nicht zuletzt daran, dass viele Geldinstitute noch wertlos gewordene Schuldscheine von Staaten (Staatsanleihen) in den Tresoren haben. Wenn diese demnächst aufgekauft werden, haben die Banken wieder mehr Spielraum für Darlehen.

Der Euro dürfte aber deutlich weniger wert sein. Ist eine solche Konsequenz denn verkraftbar?

Sie ist sogar erwünscht. Denn alle die europäischen Unternehmen, die einen großen Teil ihres Umsatzes im Export machen, können ihre Produkte im Ausland billiger anbieten. Die EZB rechnet also sogar mit einem schwächeren Eurokurs, um die Wirtschaft anzukurbeln. Das wird den französischen und italienischen Herstellern im Ausland sehr helfen.

Warum sind die Bundeskanzlerin, der Chef der Bundesbank und viele andere gegen diese Aktion?

Genau genommen sind alle ergriffenen Maßnahmen geldpolitische Eingriffe in den Markt. Die sind nötig, weil die betroffenen Staaten entweder nicht solide gewirtschaftet haben oder ihre Verwaltung, ihre soziale und wirtschaftliche Infrastruktur nicht modernisiert und reformiert haben. Wenn man jetzt billig an Geld kommt, ohne sein Land reparieren zu müssen, lässt die Bereitschaft zu Reformen nach. Das aber macht de betroffenen Staaten weiter anfällig für neue Krisen. Sollte es darüber hinaus am Ende sogar zu einer Staatspleite kommen, weil der jetzige Anstoß der EZB verpufft, müssten Bürgen wie Deutschland zahlen, weil die bisherigen Hilfskredite nicht mehr bedient werden könnten. Und ein solches Einstehen des deutschen Steuerzahlers für Risiken anderer Europartner will man vermeiden.

Die EZB begründet ihre Aktion mit Deflationsgefahren.

Das ist richtig. Deflation lähmt die Wirtschaft. Eine solche Phase hat Japan 20 Jahre seiner ökonomischen Entwicklung gekostet. Eine gesunde Inflation, die die EZB mit rund zwei Prozent beziffert, gilt als Wachstumsmotor. Kritiker verweisen allerdings darauf, dass die gegenwärtige Deflation nur eine vorübergehende Phase sei, die mit den gesunkenen Kraftstoffpreisen zu tun habe. Es gibt aber Signale, dass die Zeit des billigen Öls bald zu Ende ist. Dann könnte die EZB ihr Staatsanleihen-Programm nicht mehr stoppen.

Welche Konsequenzen hat das Programm für Verbraucher?

Grundsätzlich gilt, dass jeder, der einen Kredit benötigt, von billigem Geld profitiert. Hierzulande aber liegen die Zinsen derart am Boden, dass die meisten Analysten keinen wirklichen Effekt sehen. Auch die Unternehmen richten sich nicht nach den Entscheidungen aus Frankfurt, sondern nach den Konditionen ihrer Banken. Und die seien, so heißt es aus dem Mittelstand, schon seit längerer Zeit so günstig, dass man keine weiteren Erleichterungen brauche.

Krisenpolitik der Eurozone seit 2010

April 2010: Erstmals muss mit Griechenland ein Euromitglied ein internationales Hilfsprogramm beantragen, um eine Staatspleite zu verhindern. Das Programm erweist sich später als nicht ausreichend.

Mai 2010: Ein „Europäischer Rettungsschirm“ wird beschlossen. Er soll sicherstellen, dass die Zahlungsfähigkeit der einzelnen Euroländer gesichert wird. EFSF („Europäische Finanzstabilisierungsfazilität“) reichte Kredite aus, für die die Euroländer mit Garantien bürgten. Der maximale Garantieanteil Deutschlands betrug rund 211 Milliarden Euro. Unter diesen Rettungsschirm schlüpfen – neben Griechenland – auch Portugal, Irland, Spanien und Zypern.

Mai 2010: Parallel beginnt die Europäische Zentralbank (EZB) erstmals mit dem Kauf von Staatsanleihen. Das „Securities Markets Programme“ (SMP) sollte den Anstieg der Renditen von Anleihen angeschlagener Euroländer bremsen. Das SMP läuft bis Anfang 2012.

September 2012: Die EZB verspricht, notfalls unbegrenzt Anleihen von Krisenstaaten zu erwerben. Gekauft wurde nach dem Programm „Outright Monetary Transactions“ (OMT) bisher noch keine Anleihe. Dennoch beschäftigt der OMT-Beschluss den Europäischen Gerichtshof (EuGH).

Oktober 2012: Mit dem ESM („Europäischer Stabilisierungsmechanismus“) geht ein neuer Rettungsschirm an den Start, der den EFSF dauerhaft ablöst. Wichtigster Unterschied der beiden Einrichtungen: Der ESM erhält eigenes Kapital, zu dem die Euroländer beitragen. Der deutsche Kapitalanteil beträgt 21,7 Milliarden Euro; hinzukommen Garantien mit einem deutschen Anteil von 168,3 Milliarden Euro.

Januar 2015: Wieder eine Premiere bei der EZB: Die Notenbank beschließt ein riesiges Anleihekaufprogramm – im Fachjargon „Quantitative Easing“ (QE). Damit sollen Milliarden und Abermilliarden Euro in die Wirtschaft gepumpt werden – als Stütze für die schwache Konjunktur. FOTO: dpa

„Das ist eine Entscheidung in der Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank.“
Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Weltwirtschaftsforum in Davos
Will das Ruder rumreißen: EZB-Chef Mario Draghi.
Foto: daniel Roland, afp | Will das Ruder rumreißen: EZB-Chef Mario Draghi.
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