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STUTTGART
Die Rückkehr des fabelhaften Herrn Zetsche
Durchstarter: Daimler-Chef Dieter Zetsche hat ein hartes Jahr hinter sich. Nun bläst das Unternehmen wieder zum Angriff.
Foto: dpa | Durchstarter: Daimler-Chef Dieter Zetsche hat ein hartes Jahr hinter sich. Nun bläst das Unternehmen wieder zum Angriff.
Evangelischer Pressedienst
 |  aktualisiert: 22.12.2015 14:40 Uhr

Erst jetzt lässt sich das ganze Ausmaß der Palastrevolte erahnen, die sich im Hause Daimler abgespielt hat. Was zunächst Beobachtern nur wie ein Revöltchen gegen Konzern-Chef Dieter Zetsche erschien, hatte doch eine größere umstürzlerische Kraft. Die Aufständischen müssen sich, wie aus mehreren Quellen zu erfahren ist, im Herbst 2012 zusammengerottet haben, um bis in das Jahr 2013 hinein gegen den Nachfolger von Jürgen Schrempp zu zündeln.

Am eifrigsten dabei waren Arbeitnehmervertreter aus dem Kreise der IG Metall, die im Daimler-Universum neben dem Vorstand das zweite Machtzentrum bilden.

Ähnlich wie bei VW kann ein Chef in Stuttgart nicht gegen den Willen der Beschäftigten-Lobby regieren, dafür sind viel zu viele in der IG Metall organisiert. Den Mitarbeitern um Erich Klemm, dem „wahrscheinlich mächtigsten Arbeitnehmer-Vertreter Deutschlands“, wie die FAZ einmal schrieb, ging der Sparkurs Zetsches zu weit. Die Gewerkschafter fanden Verbündete im Lager des Managements und forderten Aufsichtsrats-Chef Manfred Bischoff auf, Zetsches Vertrag nicht zu verlängern. In der Boxersprache wäre das der K.-o.-Schlag für einen Mann gewesen, der von 1976 an sein ganzes Berufsleben „beim Daimler“, wie es in Stuttgart heißt, verbracht hat.

Der 60-Jährige wäre dafür bestraft worden, dass er den wegen der Irrungen und Wirrungen der Ära „Schrempp“ gegenüber BMW und Audi zurückgefallenen Konzern mit Einsparungen und einer Modell-Offensive wieder nach vorne bringen will. Am Ende wurde, wie sich inzwischen zeigt, ein folgenreicher Burgfrieden geschlossen. Einer von Zetsches Kronprinzen, der bei der IG Metall besonders unbeliebte Allgäuer Wolfgang Bernhard, 53, musste den Job des Daimler-Produktions-Chefs aufgeben und mit dem Posten des Leiters der Lkw-Sparte vorliebnehmen. Damit tauschte er den Job mit seinem Vorstandskollegen Andreas Renschler, was den 55-Jährigen, der wie Bernhard als Kronprinz Zetsches galt, nicht verwunden hat.

Aus Sicht der IG Metall war die Personalrochade gut, weil Bernhard damit aus dem Mercedes-Pkw-Machtkreis als Sparkommissar verstoßen wurde. Und die Manager-Tauschaktion bescherte dem Daimler-Chef immerhin noch eine Verlängerung seines Vertrages um drei Jahre bis Ende 2016. Die von ihm ursprünglich anvisierten fünf Jahre waren aufgrund des Drucks der Gewerkschaft nicht mehr drin. Der Daimler-Kuhhandel wirkt sich bis heute aus. Obwohl sich Zetsche im konzerninternen Machtkampf durchgesetzt hat, muss er weiter mit Querschüssen leben – auch bei der Bilanzpressekonferenz am Donnerstag. Hier sah die Inszenierung ein Feuerwerk toller Zahlen vor. Die Botschaft „Daimler ist wieder da“ sollte präsentiert werden. Doch zeitgleich mit dem Beginn der Veranstaltung wurde bekannt, dass Renschler gegenüber Auto Motor und Sport gebeichtet hat, warum er vor kurzem überraschend aus dem Daimler-Vorstand ausgeschieden ist. Er gestand ein, es sei sein Lebensziel gewesen, Mercedes-Chef zu werden, ein Posten, den aber Zetsche neben seiner Tätigkeit als Daimler-Boss innehat und nicht hergeben will. Nachdem der Vertrag des Konzern-Chefs verlängert wurde, sah Renschler rein altersmäßig keine Chancen mehr, 2016 den Mercedes-Thron zu besteigen.

Zetsche muss einen hohen Preis dafür zahlen, siegreich aus der Palastrevolte hervorgegangen zu sein. Renschler galt als einer seiner besten Männer. Branchenkenner sagen: „Er war sein bester Manager.“ Und der größte aller Auto-Branchenkenner, Volkswagen-Patriarch Ferdinand Piëch, scheint Renschler schon an der Angel für einen Posten in seinem Reich zu haben. Der Österreicher sagt vielsagend: „Die Besten ködern die Besten.“ Zetsche weicht allen Fragen zu dem Thema aus. Er lässt kein böses Wort über den ausgeschiedenen Manager fallen.

Das Konzernergebnis fiel mit 8,7 Milliarden gegenüber 6,8 Milliarden Euro im Vorjahr so hoch wie nie zuvor in der Unternehmensgeschichte aus. Dabei profitieren auch 130 000 tariflich gebundene Daimler-Mitarbeiter von dem Comeback des Unternehmens unter Zetsche. Sie erhalten eine Erfolgsbeteiligung von 2541 Euro und einen Sonderbonus von 500 Euro obendrauf.

Da meckert auch Gesamtbetriebsrats-Chef Klemm nicht mehr. Er freue sich, dass die „außergewöhnlichen Leistungen“ der Mitarbeiter gewürdigt würden. Am Ende könnten Zetsche und der Gewerkschafter noch Freunde werden und sich freuen, dass Daimler wieder Chancen hat, zu den enteilten Rivalen BMW und Audi aufzuschließen. Der oberste Daimler-Mann muss sich in einigen Monaten aber mit einem neuen Widerpart auf Beschäftigtenseite anfreunden. Der wohl mächtigste und – wie manche denken mögen – auch lästigste Arbeitnehmervertreter der Republik geht in Altersteilzeit. Zetsche scheint nach überstandener Palastrevolte gewillt, die Ärgernisse der Vergangenheit zu verdrängen. Er hat Zahlen nach Geschmack der Börse geliefert. Jetzt sagt er mit einem Lächeln, das sich über seinem mittlerweile schlohweißen Walrossbart ausbreitet: „Ich habe Appetit auf mehr.“

Zetsche kann bleiben

Nach den jüngsten Erfolgen des Autobauers Daimler gibt es erste Anzeichen für eine Vertragsverlängerung von Konzernlenker Dieter Zetsche. Wie das „Handelsblatt“ unter Berufung auf Konzernkreise berichtete, will der Aufsichtsrat Zetsches Vertrag im kommenden Jahr voraussichtlich verlängern. Der aktuelle Kontrakt ist erst vor rund einem Monat in Kraft getreten und läuft 2016 aus. Im vergangenen Jahr war der Vertrag wegen Querelen mit dem Betriebsrat nur um drei statt um fünf Jahre verlängert worden. Rückenwind geben Zetsche nun gute Bilanzzahlen, die er am Donnerstag präsentiert hatte. text: dpa

„Ich habe Appetit auf mehr.“
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