Schon die Anfahrt zum Zwergstaat Andorra in den Pyrenäen ist traumhaft. Kurvenreiche Bergstraßen führen durch verschlafene Dörfer in das Mini-Fürstentum, in dem gerade einmal 76 000 Menschen leben und das jetzt im Winter tief verschneit ist. Auch die Steuerbedingungen waren bisher für die Bürger fantastisch, weswegen Andorra nebenbei den Ruf eines Finanzparadieses hat. Das soll sich jedoch nun ändern – wenigstens ein bisschen.
Von Januar an zieht eine kleine Revolution in den zwischen Spanien und Frankreich liegenden Gebirgsstaat ein, der vor allem vom Tourismus lebt, aber in dessen Haushalt die Wirtschaftskrise bisher unbekannte Löcher schlug: Erstmals müssen deshalb die Andorraner jetzt Einkommenssteuer bezahlen, die aber mit einem Spitzensatz von zehn Prozent für Großverdiener noch sehr gemäßigt ist. Das entspricht jenem generösen maximalen Steuersatz, der auch für Unternehmen vor zwei Jahren eingeführt wurde.
Da jedoch Steuerzahlungen immer wehtun, murrt natürlich auch das verwöhnte Bergvolk in Andorra. Und mault über „Ausbeutung“ und „Ungerechtigkeit“. Dabei sind die Bürger des Kleinstaates, der formell nicht zur Europäischen Union gehört, aber enge Beziehungen zu ihr unterhält und auch den Euro benutzt, immer noch ziemlich gut gestellt. Denn sie bezahlen weiterhin keine Kapitalsteuer, keine Erbschaftssteuer und auch die Mehrwertsteuer liegt nur bei schlappen 4,5 Prozent.
Schwarzgeld aus Spanien
Vor allem Dank der eher symbolischen Mehrwertsteuer gilt Andorra seit Jahren als Einkaufsparadies. Nicht nur in der Hauptstadt Andorra la Vella, wo etwa 25 000 Menschen leben, reihen sich an vielen Straßen Shops, die vor allem Elektronikartikel, Schmuck, Mode, Spirituosen und Zigaretten anbieten. Ungefähr acht Millionen Touristen, die jedes Jahr einfallen, nutzen die Gelegenheit.
Wer sich dort eindeckt, sollte jedoch die EU-Zollvorschriften beachten, denn beim Grenzübertritt Richtung Frankreich oder Spanien dürfen zum Beispiel pro Person nur 300 Zigaretten oder 1,5 Liter Hochprozentiges zollfrei mitgebracht werden. Auch andere Waren mit einem Wert von mehr als 900 Euro müssen deklariert werden.
Übrigens zieht Andorra nicht nur bei der Einkommenssteuer die Zügel an. Auch das bisher wohlgehütete Bankgeheimnis bröckelt. Der Gipfelstaat, dessen knapp 470 Quadratkilometer messendes Terrain zwischen 1000 und 3000 Meter Höhe liegt, möchte seinen unschönen Ruf als Geldwäscheparadies loswerden. Deswegen zeigt sich Andorra bereit, ähnlich wie die Schweiz oder Luxemburg, künftig Bankdaten ausländischer Kunden an die Heimatländer zu übermitteln.
Dies freut vor allem Spanien, wo nicht wenige Wohlhabende ihre Ersparnisse heimlich in der nahen Nachbaroase anlegten. Sogar das spanische Königshaus schien gegen diese Versuchung nicht immun gewesen zu sein: Im Zuge von Betrugsermittlungen gegen Prinzessin Cristina und ihren Ehemann Inaki Urdangarin (wir berichteten) kam heraus, dass sie offenbar Schwarzgelder nach Andorra umgeleitet hatten.