Es gebe Banken, Anwälte und Agenturen, die einem dabei helfen, systematisch Steuern zu hinterziehen und Geld zu waschen. Dies sagt Stephan Brannys, in den 90ern verurteilter millionenschwerer Chipdieb beim Computerhersteller Hewlett-Packard und jetzt Sicherheitsberater und wohnhaft in Gemünden (Lkr. Main-Spessart). Er machte damals selbst seine Erfahrungen mit Briefkastenfirmen in Steueroasen. Diese wurden kürzlich wegen der Enthüllungen unter dem Namen „Offshore-Leaks“ ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt.
„Diverse Steuerparadiese erlauben es einem, nahezu grenzenlose Mengen an Schwarzgeld zu sichern“, sagt Brannys. Weil er nicht wusste, wohin mit einem Teil seiner rund zwölf Millionen Mark, die er mit geklauten Computerchips machte, fuhr er damals mit mehreren Hunderttausend Mark im Anzug auf die kleine Insel „Isle of Man“ mit ihren über 50 Banken. Das Ziel: seine Millionen zu waschen und den Kauf einer Luxusvilla für 1,5 Millionen Mark zu tarnen. Dort seien Agenturen ansässig, so Brannys, „die einem alle Arten von Briefkastenfirmen anbieten“ und alles organisierten. Selbst die Taxifahrer wüssten Bescheid.
So gründete er damals eine nach außen hin als Immobilienagentur firmierende Briefkastenfirma namens „Mayfield Enterprises Ltd.“ und gab sich als Immobilienmakler aus. Brannys: „Das dauert alles keine Stunde, dann wird man zu einer ausgewählten Bank verwiesen.“ Bei der Bank könne man dann mit einem fünf Minuten alten Vertrag ein Geschäftskonto einrichten und Geld einzahlen, „auch wenn die neu gegründete Firma noch gar keinen Umsatz gemacht haben kann, weil sie gerade erst gegründet wurde“.
In Liechtenstein habe er damals mit seinem wenige Tage alten Beleg seiner Briefkastenfirma im Untergeschoss der Liechtensteinischen Landesbank „jede Bargeldsumme direkt einzahlen“ können. Er habe dabei offen gesagt, dass er das Geld vor dem deutschen Fiskus verstecken wolle. 1995/96, als er mehrfach dort war und insgesamt 2,2 Millionen dort deponierte, seien täglich viele Ausländer im liechtensteinischen Vaduz gewesen und hätten gerne in den Tiefgaragen der Banken geparkt.„Damit sie nicht erkannt werden, wenn sie mit dem Geld-Koffer die Bank ansteuerten“, glaubt Brannys.
Auch Anwaltskanzleien hätten bei Geldwäsche und Briefkastenfirmen ihre Finger im Spiel. Er habe das damals selbst erlebt. Anwälte parkten zudem Schwarzgelder, arbeiteten gar Fluchtpläne aus und böten gleich Pässe mit neuem Namen an, erzählt Brannys. Wirtschaftsstraftätern werde systematisch geholfen: von speziellen Agenturen, Banken, Anwälten, Hintermännern. „Alle verdienen kräftig mit, systematisch am Finanzamt vorbei“, sagt Brannys. Es gebe in Deutschland auch Agenturen, die gegen eine Gebühr ein Alibi beschafften, um die Ehefrau zu betrügen oder das Finanzamt auf eine falsche Spur zu führen. Aus Brannys' Sicht müssten, bevor man Steuerhinterzieher hart bestraft, erst einmal Banken, Agenturen, Rechtsanwälte und Hintermänner, die Beihilfe leisten, bestraft werden.
Uwe Dolata, Würzburger Experte für Wirtschaftskriminalität, sagt, es sei bekannt, dass Geldinstitute und auch Anwälte zumindest in der Vergangenheit geholfen haben, Geld zu waschen. Er nennt als Beispiel die HypoVereinsbank im Fall Mollath. Früher sei es ein „Massendelikt“ gewesen, dass Betrüger über Banken Geld in Steueroasen, wie Delaware, Isle of Man oder die Cayman-Inseln, transferiert haben. Sogar kleinere Geldinstitute hätten mit Filialen in Luxemburg geworben. Inzwischen seien die Geldwäscheregularien allerdings rigider geworden.
Aber, so Dolata, „Briefkastenfirmen sind immer noch gern benutzt“, etwa bei Massenbetrügereien wie Adressbuchabzocke oder Kapitalanlagebetrug. Oft haben sie scheinbar vertrauenswürdige Adressen. Zug in der Schweiz habe einst 20 000 Einwohner und 40 000 Firmen gehabt, sagt Dolata. Inzwischen seien Betrügerfirmen „perfider und raffinierter“ geworden.
Stephan Brannys
Der Gemündener ist im September Gast beim Krimifestival „Tatort Eifel“. Laut Festival-Internetseite wird er einen Abend lang unter dem Titel „Vom Gangster zum Coach – Wirtschaftskriminalität und Tätersicht“ über Wirtschaftskriminalität in der Realität referieren. Besucher des zehntägigen Festivals sind Filmemacher, Schauspieler und Krimifans. Es sei auch ein Interview mit dem SWR vorgesehen, teilt Brannys mit. Text: bjk