Der Star der Hannover Messe heißt APAS. Der Automatische Produktionsassistent von Bosch Rexroth schaffte es in die Spalten der Weltpresse – weil etwas nicht klappte. Bei ihrem Messerundgang am Montag sollte die Bundeskanzlerin aus den Armen von APAS ein Pfefferminz erhalten. Doch Angela Merkel agierte nicht mit der in Industrieprozessen nötigen Präzision, und das Bonbon verfehlte ihre Hand. Erst beim zweiten Anlauf fanden Roboter und Regierungschefin zueinander.
Genau darum geht es bei der weltweit größten Industrieschau: um die „Industrie 4.0“. Bei Bosch Rexroth versteht man darunter, dass in intelligenten, vernetzten und flexiblen Fabriken Menschen, Maschinen und Produkte miteinander kommunizieren und enger zusammenarbeiten. Einfach nur Menschen, die Maschinen bedienen – das war einmal. Und die Lohrer Antriebs- und Steuerungsspezialisten wollen bei der Fabrik der Zukunft kräftig mitmischen.
Das Wettrennen um die nächste industrielle Revolution ist in vollem Gang, es ist ein Wettstreit zwischen klassischen Ingenieuren auf der einen und Programmierern auf der anderen Seite. Doch bei der Digitalisierung der Industrie drohen die USA mit ihren IT- und Internetkonzernen die deutschen Maschinenbauer abzuhängen, heißt es von Mahnern in Hannover. Ulrich Grillo etwa, Chef des Industrieverbandes BDI, unkt düster: „Deutschland verliert den Anschluss an die Weltelite“.
Von solchen Szenarien ist am fußballfeldgroßen Stand der Siemens AG allerdings nichts zu spüren. Der Weltkonzern, dessen Technikkompetenz sich nicht zuletzt an den fränkischen Standorten Erlangen oder Bad Neustadt bündelt, zeigt sich selbstbewusst als erster Ansprechpartner in Sachen „Industrie 4.0“. Das Zusammenspiel zwischen virtueller und realer Welt aus einer Hand, sagt Siemens-Deutschland-Chef Rudolf Martin Siegers gegenüber dieser Zeitung, „das gibt es in dieser Form kein zweites Mal“. Und so können sich die Fachbesucher aus aller Welt ansehen, wie eine komplette Fabrik am Rechner geplant wird – inklusive virtuellem Rundgang am Monitor.
Deutschland, lobt Siegers, „ist Weltmarktführer bei der Automatisierung“, das dürfe man nicht aufs Spiel setzen. Wie sehr sich das Geschäft bereits vom klassischen Maschinenbau entfernt hat, zeigt eine Zahl: Weltweit beschäftigt Siemens 17 000 Softwareentwickler. Damit zählt der Industriekonzern aus Bayern heute schon zu den größten Softwareunternehmen der Welt. Und selbst die Messehostessen am Siemensstand sehen nicht mehr aus wie dienstbare High-Heel-Helferinnen – sie tragen schlichte graue Sneaker mit Siemens-blauen Schnürsenkeln.
Gut zu Fuß zu sein, ist auf dem wohl weltgrößten Messegelände stets ein weiser Rat. Etwa für die „Besuchertour Industrie 4.0“, die die Messegesellschaft durch acht Hallen mit 15 Vorreitern der Fabrik der Zukunft zusammengesellt hat. Mit dabei ist neben Bosch Rexroth und Siemens noch ein weiteres regionales Unternehmen: die Wittenstein AG aus dem tauberfränkischen Igersheim.
Der seit Herbst amtierende neue Vorstandssprecher Dieter Spath nennt Wittenstein selbstbewusst einen „mittelständischen Vorreiter“ und betont, wie wichtig das Thema Sicherheit („Factor S“) bei der Vernetzung der industriellen Prozesse sei. Der nächste Meilenstein für Wittenstein steht bereits Ende Mai an: die Eröffnung der „Innovationsfabrik“ am Firmensitz in Igersheim. Doch für die schöne neue Welt der „Industrie 4.0“ braucht es qualifizierten Nachwuchs – und der wird auf der Messe heftig umworben. „Pioniere zu uns!“ heißt es etwa bei Wittenstein; man biete „Spielraum für Spezialisten“ und die „Pole-Position für Antriebskräfte“. Bei Bosch Rexroth geht man noch einen Schritt weiter. Für Freitag hat man 700 Studenten technischer Studiengänge aus ganz Deutschland zum „Go for Hightech“-Tag nach Hannover eingeladen. Und wieder ist Franken mit dabei: Ein fast voll besetzter Bus startet an der Fachhochschule in Schweinfurt.