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Berlin
Die Bahn im Kampf mit sich selbst
Es läuft überhaupt nicht rund beim Schienenkonzern.  Der Aufsichtsrat berät an diesem Donnerstag die drängendsten Probleme. Mal wieder.
Ein Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma an einem gesicherten Bahnübergang. 
Foto: Carmen Jaspersen, dpa | Ein Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma an einem gesicherten Bahnübergang. 
Christian Grimm
Christian Grimm
 |  aktualisiert: 16.11.2019 02:11 Uhr

Bahnchef Richard Lutz ist der wichtigste Mitarbeiter von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Lutz soll die siechende Bahn flottmachen und den Staatskonzern zum Vorreiter im Klimaschutz aufbauen. Doch Scheuer hält nicht viel von Lutz. Er hat ihm nun das zweite Mal binnen weniger Monate ein Ultimatum gestellt. Lös die Probleme oder Du fliegst raus. Lutz‘ Autorität jedenfalls hat darunter gelitten, dass er öffentlich angezählt wird, weil er ein Chef auf Abruf ist. Dass eine Entlassung die Missstände bei der Bahn wie von Zauberhand beseitigen würde, glaubt in Berlin aber niemand. Zu tief steckt das Unternehmen im Morast. Die Probleme nehmen überhand.

Die Pünktlichkeit im Fernverkehr ist schwach. Jeder Vierte Zug kommt zu spät an. Die Zahlen sind schlecht. Der Betriebsgewinn liegt nach neun Monaten mit 669 Millionen Euro rund ein Drittel unter dem Vorjahreswert und deutlich hinter Plan, wie das Handelsblatt meldet.  Der Güterverkehr bleibt trotz aller Rettungsversuche das Sorgenkind Nummer Eins und fährt fleißig Verluste ein. Die Affäre um lukrative Beraterverträge für Alt-Vorstände ist nicht aufgearbeitet. Das Verkehrsministerium stellt Überlegungen für höhere Vorstandsgehälter an, dann pfeift Scheuer den Vorstoß zurück. Die Auslandstochter Arriva soll verkauft werden, um die Finanznot zu lindern. Der Rechnungshof moniert, dass die Bahn kein wirksames Qualitätsmanagement hat. Bahnchef Lutz hat sich mit Finanz- und Gütervorstand Alexander Doll wegen der Krise der Cargosparte überworfen. Lutz soll Doll empfohlen haben, das Finanzressort abzugeben, was dieser ablehnt. Sogar über einen Rückzug Dolls wurde spekuliert.

Die Aufsichtsräte des Schienenkonzerns haben also eine picke-packe volle Tagesordnung voller Probleme, wenn sie am Donnerstag zusammentreten. Das war bei den vorhergehenden Runden nicht anders. Die Bahn findet nicht aus der Krise.

„Die Bahn befindet sich in einem atemberaubend schlechten Zustand“, sagt der Chef der Lokführergewerkschaft GDL, Claus Weselsky, im Gespräch unserer Redaktion. Wegen ineffizienter Strukturen würden Milliarden versenkt. „Wir haben zu viele Häuptlinge und viel zu wenig Indianer“, beklagt er. Für ihn hat das Desaster bei der Bahn zwei Hauptursachen. Obwohl die Bahn nie an die Börse ging, steckt sie in der Struktur, die ihr der frühere Bahnchef Hartmut Mehdorn dafür gegeben hat. Die Folge: Alle Bereiche schauen, wo sie sparen können, ohne dass sie miteinander reden. Ein Beispiel: Weil früher Geld beim Baumschnitt an den Gleisen gespart wurde, sind heute einige Bäume so hoch gewachsen, dass sie in die Oberleitung krachen, wenn ein Sturm sie bricht. Der Personenverkehr wollte Gleise abbauen, ohne mit den Kollegen aus der Gütersparte zu sprechen, die die Strecken nutzen. Weselsky fordert, dass die Infrastruktur der Bahn zusammengefasst und in einer Anstalt öffentlichen Rechts gebündelt wird. Dass Renditedenken gehört für ihn abgeschafft.

Das zweite Hauptproblem ist für den GDL-Chef die Schwäche des Vorstandschefs. „Der Bahnchef wird durch die Berateraffäre gelähmt“, sagt der Gewerkschaftsboss. Lutz gehört dem Bahnvorstand seit 2010 an, zunächst lange Jahre als Finanzchef. Die Frage ist weiterhin unbeantwortet, wieso ihm die exorbitanten Verträge über hunderttausende Euro nicht auffielen? „Das schwebt über allem“, meint Weselsky

Anders als viele Bahnkenner bricht der Vorsitzende der Lokführergewerkschaft nicht den Stab über Andreas Scheuer. „Ich habe in den vielen Jahren noch keinen Verkehrsminister erlebt, der sich so intensiv mit der Bahn befasst hat“, so Weselsky. Die Schwäche Scheuers sei das Streben nach Überschriften und PR-tauglichen Auftritten.

In seinen Klimaschutzplanungen spielt die Eisenbahn eine wichtige Rolle. Gelingt es nicht, mehr Güter und Passagieren auf der Schiene zu transportieren, wird der Verkehrssektor nicht genügend CO2 einsparen. Die Bundesregierung hat viel vor mit ihrem Unternehmen.

Bis 2030 sollen doppelt so viele Passagiere pro Jahr im Fernverkehr befördert werden. Das wären dann immerhin 260 Millionen pro Jahr. Der Deutschlandtakt soll außerdem mehr als 30 deutsche Großstädte im Halbstundenrhythmus miteinander verbinden.

 
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