
Deutschlands bekanntester Unternehmensberater wird an diesem Donnerstag 75. Von Ruhestand will Roland Berger aber nichts wissen. „Ich bin ein neugieriger Mensch und habe meine Arbeit immer als Bereicherung empfunden, nicht als Last“, sagt er in München.
Roland Berger hat die Bundesregierungen von Helmut Kohl (CDU) und Gerhard Schröder (SPD) beraten, die Lufthansa saniert, die Computermesse Cebit erfunden und mehrere Konzernchefs auf ihre Posten vermittelt. In China und Japan ist er genauso zu Hause wie in Italien und Frankreich. Sein Beratungsunternehmen ist die Nummer fünf weltweit, beschäftigt 2700 Mitarbeiter und macht gut eine halbe Milliarde Euro Umsatz im Jahr. Aber als Berater macht er eigentlich dasselbe wie als 30-Jähriger 1967, als er als Einzelkämpfer mit einem Büro und einer Sekretärin begann.
Erstes Unternehmen in München
„Ich wollte immer Unternehmer sein“, sagt Berger. Sein Vater war Direktor der Anker-Brotfabrik, seine Mutter führte ein Möbelhaus, und auch der Sohn wollte von Anfang an sein eigener Chef sein und Geld verdienen. Schon als Student der Betriebswirtschaft gründete er in München sein erstes Unternehmen, eine Wäscherei mit 15 Angestellten. Dabei wurde er wohlhabend und lernte Lektion eins: Werbung ist Gold wert. Vor dem Examen gründete er dann einen Schnapsladen – ein paar Regale, ein Kassierer und Discountpreise, fertig war das Erfolgsrezept. Und der künftige Berater lernte Lektion zwei: Kosten senken.
Wie wichtig Beziehungen sind, lernte er nach dem Examen. Eine Kundin seiner Wäscherei erzählte ihm von ihrem Sohn, der als Unternehmensberater arbeitete, bei Gennaro Boston in Mailand. Bei ihm solle sich Berger doch mal melden. Er tat es, stieg rasch zum Partner auf – und machte sich dann 1967 in München selbstständig.
„Unternehmensberatung war damals eine in Deutschland noch weitgehend unbekannte Disziplin“, sagt Berger. Einer seiner ersten Kunden war Touropa, der Bus- und Bahnreisen für Otto Normalverbraucher veranstaltete – Nachfrage sinkend. Berger sollte ein neues Werbekonzept entwickeln. Aber er riet: Setzt auf Charterflüge und schließt euch mit den Konkurrenten Scharnow, Hummels und Dr. Tigges zusammen, die dasselbe Problem haben. So hob Berger die TUI aus der Taufe – heute der größte Touristikkonzern Europas.
Der Coup bedeutete den Durchbruch für den 31-jährigen Berater: Jetzt klopften Konzerne an und suchten seinen Rat, bald standen ihm die Türen der Wirtschaft offen. Berger gründete Büros in Mailand und Sao Paulo, Madrid, Schanghai, wurde Ansprechpartner für die Politik. Ob es um die Organisation der Treuhandanstalt ging, die Bundesbank-Reform oder die Agenda 2010 – sein Rat wurde gesucht. Schröders Angebot, Wirtschaftsminister zu werden, lehnte er aber ab.
Ende der 1980-er Jahre hatte Berger den Großteil seines Unternehmens an die Deutsche Bank verkauft, aber 1998 zusammen mit seinen Partnern wieder zurückgekauft. Schon 2003 legte der Gründer den Vorstandsvorsitz nieder, 2010 zog er sich aus dem Aufsichtsrat zurück – als Ehrenvorsitzender, Berater und Partner mit knapp drei Prozent der Anteile ist er aber weiterhin an Bord.
„Ich bin ziemlich ausgelastet, mein Terminkalender ist voll bis März, April 2013“, sagte Berger der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Ein Drittel seiner Zeit widmet er Klienten – in Asien, Italien und Frankreich sei er ein gesuchter Gesprächspartner, heißt es aus dem Unternehmen. Ein weiteres Drittel der Zeit engagiert sich Berger für seine Stiftung. Für einen Menschenrechtspreis und für die Förderung von begabten Schülern aus sozial benachteiligten Familien hat er privat bereits 50 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Im Augenblick unterstützt er 520 Schüler. Aber er habe die „Absicht, auf 150 Millionen Euro aufzustocken. Das macht dann schon einen großen Teil meines Vermögens aus“, sagte er der FAS.
Privat sammelt Berger moderne Kunst und liebt klassische Musik. Er ist mit dem Dirigenten Claudio Abbado und dem Maler Georg Baselitz befreundet, engagiert sich für die Pinakothek der Moderne, die Bayerische Staatsoper und ein Dutzend weiterer Einrichtungen. Den Geburtstag feiert er mit seiner Frau, Söhnen, Enkeln und Freunden. Am Freitag folgt dann ein großes Dinner im Ägyptischen Museum in München, „mit 250 Freunden und guten Bekannten“, sagte der Patriarch und erklärte sich zum glücklichen Menschen: „Ich wollte das Leben führen, das ich führe.“