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BRÜSSEL
Deutschland ist zu stark für die EU
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Evangelischer Pressedienst
 |  aktualisiert: 05.03.2014 18:09 Uhr

Die deutsche Stärke wird zu einem Risiko für den Euroraum. Seit Monaten schwelt dieser Streit zwischen Brüssel und Berlin. Am gestrigen Mittwoch legte die Kommission nach: „Angesichts der Größe der deutschen Wirtschaft gibt es erheblichen Handlungsbedarf.“ Zwar „leisten die großen Mitgliedstaaten einen wichtigen Beitrag zum Wachstum in Europa“, heißt es in dem Bericht, der das Ergebnis monatelanger Recherchen Brüssels ist. „Dennoch sollten die Prioritäten anders gesetzt werden.“

Die Bundesrepublik, so rät Währungskommissar Olli Rehn, müsse ihre führende Position beim Export nicht aufgeben, wohl aber dafür sorgen, dass Import und Binnennachfrage nicht so deutlich hinterherhinken. Der sogenannte Leistungsbilanzüberschuss beträgt seit 2007 durchgehend deutlich über sechs Prozent und dürfte im laufenden Jahr vermutlich sogar die Sieben-Prozent-Marke erreichen. Zu viel für jenes Gleichgewicht, das der Euro-Stabilitätspakt vorschreibt.

Bislang hat die Bundesregierung solche Überlegungen stets scharf zurückgewiesen. Am Mittwoch wurde nun erstmals ein Papier des Bundeswirtschaftsministeriums bekannt, in dem der Konfrontationskurs gegenüber der Kommission aufgegeben und eingeräumt wird, dass „exzessive und dauerhafte Ungleichgewichte“ in den Handelsbilanzen „schädlich für die Eurouzone“ sein könnten. Das sieht man auch in Brüssel so: Schließlich reagiere das empfindliche Gleichgewicht zwischen den Mitgliedstaaten der Währungsunion nach dem Motto „Ist der eine zu stark, sind alle anderen zu schwach“.

Doch die Kommission fordert von der Bundesregierung keineswegs einen Abbau der hohen Exporte, wohl aber mehr „Stärkung des mittelfristigen Wachstums“. Gemeint sind damit vor allem Investitionen – beispielsweise in die Infrastruktur wie Straßen, Schiene oder hochmoderne Telekommunikationsnetze bis hin zu mehr Geld für Dienstleistungen, Bildung und eine moderne Industrie.

Während Frankreich und Italien sowie Spanien ermahnt werden, endlich ihre Haushalte in Ordnung zu bringen und die Sozialsysteme zu modernisieren, sollte Deutschland also alles tun, um die Binnennachfrage zu stärken. Auch das sei ein Weg, das bestehende Ungleichgewicht zwischen Export, Import und Konjunktur-Ankurbelung zu beseitigen. Ökonomen bezweifeln allerdings, ob die Empfehlungen der Kommission tatsächlich sinnvoll sind.

Sie verweisen darauf, dass die wirtschaftlichen Strukturen der Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich seien – Deutschland verfüge über besonders viele Branchen, die exportorientiert arbeiten. Im Unterschied beispielsweise zu Frankreich oder Italien. Kein Wunder also, dass die Bundesrepublik auf hohe Ausfuhrquoten und Gewinne zurückgreifen könne.

Brüssels erklärtes Ziel ist es zu verhindern, dass die Volkswirtschaften der EU immer weiter auseinanderdriften. Dabei gilt es, Ausschläge nach unten oder oben einzugrenzen. Bei der jetzigen Überprüfung wurden insgesamt 16 Mitgliedstaaten unter die Lupe genommen, vier weitere Länder ließ man außen vor, weil sie derzeit noch Gelder aus dem Rettungsschirm bekommen und deshalb unter Beobachtung der Troika stehen.

Wenn die gestern verteilten Rügen keine Wirkung zeigen, könnte es im Juni – dann werden die Entwicklungen noch einmal überprüft – zu weiteren Schritten kommen. Zumindest diejenigen Länder, die ein Leistungsbilanz-Defizit aufweisen und keine Reformen in Angriff genommen haben, müssten dann mit Sanktionen rechnen.

 
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