In Großbritannien ist der Lebensmittel-Preiskrieg ausgebrochen und angezettelt haben ihn die deutschen Discounter. Aldi und Lidl erobern Stück für Stück die Insel. Mit aggressiven Angeboten und einer Qualitätsoffensive fahren sie gegenüber dem etablierten britischen Einzelhandel die Ellenbogen aus. Erst kürzlich hat Aldi angekündigt, 2015 umgerechnet rund 761 Millionen Euro im Vereinigten Königreich investieren zu wollen. Mit dem Geld sollen nicht nur 60 weitere Filialen entstehen, sondern auch Läden modernisiert und ein neues Logistikzentrum eröffnet werden.
Das verkündete Aldi in britischen Medien, die den Aufstieg seit Monaten mit Erstaunen verfolgen. Wurde es noch vor einigen Monaten unter vielen Briten als peinlich empfunden, mit einer Lidl-Tüte auf Einkaufstour zu gehen, ist das heute kein Stigma mehr. „Die Menschen haben erkannt, dass sie bei Discountern gute Qualität zu einem günstigen Preis bekommen“, sagt Howard Archer, Chefökonom für Großbritannien vom Informationsunternehmen IHS. Das Ergebnis: Aldi steht auf Platz eins der beliebtesten Supermarktmarken, fand das Meinungsforschungsinstitut YouGov heraus. Mittlerweile shoppen 51 Prozent der Briten bei Aldi oder Lidl. Unter dem Erfolg der deutschen Unternehmen leiden die heimischen Supermärkte wie Tesco, Sainsbury's oder Morrisons. So hatte beispielsweise Marktführer Tesco zu Beginn dieser Woche einen Wechsel an der Führungsspitze verkündet, Unilever-Manager Dave Lewis soll es richten. Trotz milliardenschwerer Investitionen und Preissenkungen ging der Gewinn im vergangenen Geschäftsjahr um sechs Prozent auf umgerechnet knapp 4,2 Milliarden Euro zurück. Dagegen konnten Aldi und Lidl dem Institut Kantar Worldpanel zufolge ihre Umsätze deutlich steigern, Aldi um 35,4 Prozent, Lidl um 22,3 Prozent. Damit hat sich der Marktanteil in kurzer Zeit verdoppelt, doch mit etwas mehr als acht Prozent ist für beide Luft nach oben.
Was steckt hinter dem Aufstieg der Discounter? „Der Preis ist in Großbritannien ein sehr wichtiger Faktor geworden“, sagt Howard Archer. Zwar wächst die britische Wirtschaft derzeit so stark, wie lange nicht mehr; trotzdem fehle es an einer entsprechenden Lohnentwicklung. Gehaltszuwächse lagen in den vergangenen Jahren unter der Inflation, die Lebenshaltungskosten sind gestiegen. Seit der Finanzkrise 2008 „wurden viele Menschen preisbewusster“, so der Analyst. Obwohl sich die Wirtschaft erholt habe, halte dieses Einkaufsverhalten an. Hinzu kommen Aktionen und Preise, die Aldi und Lidl sowohl neue Kunden als auch eine gute Presse bescheren. Edle Weine, Schuluniformen oder feine Käsesorten – das Angebot wurde noch stärker auf die Briten abgestimmt, umfasst viele Produkte, die von der Insel stammen und mit einem Union Jack versehen sind, um Lokalkolorit zu verbreiten. So sollen auch gehobenere Schichten angesprochen werden. „Aldi entwickelt sich zu einem geheimen Mittelklasse-Hotspot“, schrieb die „Daily Mail“, nachdem der Discounter nun auch Reiterkleidung verkauft.
Dass Aldi und Lidl in Zukunft schwächeln könnten, glaubt derzeit niemand. Der britische Lebensmittel-Einzelhandel hat lange die Konkurrenz aus Deutschland unterschätzt, reagiert jedoch seit einigen Monaten auf den Erfolg. „Wir haben uns sehr über unser Wachstum jenseits des Radars gefreut“, sagte Matthew Barnes, Mitglied der Aldi-Geschäftsführung, der „Daily Mail“. Der Preiskrieg stärke die Angebote. Der Gewinner im Kampf zwischen den Supermärkten ist der Kunde.