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LOS ANGELES/WÜRZBURG
Deutsche Autoindustrie unter Druck
Tesla unveils Model 3       -  Model 3 des US-amerikanischen Elektrofahrzeug-Herstellers Tesla Motors.
Foto: Tesla/dpa | Model 3 des US-amerikanischen Elektrofahrzeug-Herstellers Tesla Motors.
Denise Schiwon
Denise Schiwon
 |  aktualisiert: 11.12.2019 18:55 Uhr

Lange Schlangen vor den Geschäften. Zahlreiche Besucher warten gespannt, dass sich die Türen öffnen. Einige haben sogar vor dem Laden kampiert. Man könnte meinen, der Apple-Konzern hat wieder ein Smartphone vorgestellt. Jedoch fieberten die Fans keinem Handy entgegen, sondern einem Auto – der Hype ist aber der gleiche. In Los Angeles hat Tesla vor wenigen Tagen sein neues Elektroauto Model 3 präsentiert, mit dem der Massenmarkt erobert werden soll.

Mit 35 000 Dollar (umgerechnet etwa 31 000 Euro) ist es mehr als die Hälfte günstiger als seine Vorgänger Model S und X. Innerhalb von drei Tagen sind 276 000 Vorbestellungen eingegangen. Dadurch hat Tesla bereits über 270 Millionen Dollar eingenommen, denn 1000 Dollar kostet ein Platz auf der Warteliste.

Autos online reservieren

Selbst vor den deutschen Tesla-Geschäften wie in Nürnberg und Frankfurt harrten mehrere Interessenten aus, um die Anzahlung zu machen. Auch online kann das E-Auto reserviert werden. Der Betrag wird direkt von der Kreditkarte abgebucht. Ende 2017 soll die Auslieferung beginnen. Laut Tesla-Chef Elon Musk hält eine Batterieladung mindestens 346 Kilometer. Mit dieser Reichweite hebt sich die Firma vom Markt ab.

Professor Ansgar Ackva von der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt
Foto: Eckhard Heise | Professor Ansgar Ackva von der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt

Auch von deutschen Herstellern gibt es nichts Vergleichbares. Der Grund dafür sei der Fluch des Erfolgs der deutschen Autoindustrie, sagt Ansgar Ackva. Er ist Professor an der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt (FHWS) und Leiter des Technologietransferzentrums Elektromobilität in Bad Neustadt (Lkr. Rhön-Grabfeld). „Die deutsche Automobilindustrie hat über Jahrzehnte sehr erfolgreich von Verbrennungsmotoren gelebt. Sie hat sie kontinuierlich verbessert und damit viel Geld verdient.“ Deshalb sei es natürlich schwer, die rentable Branche zu gefährden, indem ein Elektroauto auf den Markt gebracht werde.

Hierzulande sind Elektroautos Ladenhüter. Im vergangenen Jahr wurden in der Bundesrepublik 3,2 Millionen Autos zugelassen. Davon machen Elektroautos mit knapp 12 000 Stück aber nur magere 0,4 Prozent aus. An der fehlenden Nachfrage liege der geringe Absatz jedoch nicht, meint Experte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM).

Gut aufgestellte Betriebe in der Region

Im Wesentlichen fehle es an technologisch ausgereiften Modellen, die „im Wettbewerbsvergleich mit Benzin- und Dieselfahrzeugen bestehen können“, beschreibt er die Ergebnisse einer Studie des CAM. Dabei ist die Technik in Deutschland längst so weit, um mit internationalen Herstellern mitzuhalten. E-Autos sind beispielsweise auch bei VW oder BMW serienmäßig verfügbar. „Nur wenn man in die Autohäuser deutscher Hersteller geht, wird man den Verdacht nicht los, dass sie Elektroautos nicht verkaufen wollen“, gibt Ackva zu bedenken. Dabei gibt es auch in Unterfranken Betriebe, die im Gebiet E-Mobilität gut aufgestellt sind.

Dazu zählen das Technologieunternehmen Preh aus Bad Neustadt, das Marktführer für Batteriemanagementsysteme ist, und die Firma ZF-Sachs aus Schweinfurt, die ihre Antriebe für Hybridfahrzeuge auf der ganzen Welt herstellt. Und im Technologietransferzentrum der FH widmen sich mehr als 30 Forscher der Elektromobilität. Zudem wird jährlich in Bad Neustadt eine Messe rund um den elektromobilen Antrieb veranstaltet. Die Messe gilt bundesweit als die größte ihrer Art. In diesem Jahr stehen vor allem E-Fahrräder im Mittelpunkt, dennoch sind Testfahrten mit Elektroautos möglich.

Deutsche Post baut ihre eigenen E-Autos

Nun geht auch die Deutsche Post unter die Autobauer. 2016 sollen die ersten E-Autos für die Zusteller vom Band rollen, berichtete der „Focus“. Dafür hat das Postunternehmen das Start-up „Streetscooter“ in Aachen übernommen. Ackva verwundert es, dass es VW scheinbar nicht geschafft habe, der Post ein attraktives Angebot zu machen. Dabei baue VW viele Fahrzeuge für das Unternehmen. Ansonsten würde die Deutsche Post jetzt nicht ihre eigenen E-Autos herstellen.

Obwohl die Technologie von Tesla nicht neu ist, ist es der Firma gelungen, deutsche Hersteller in Bedrängnis zu bringen. Das Model S gehört zu den meistverkauften Autos im Luxussegment, überholte sogar die Mercedes S-Klasse und den 7er BMW. Mit dem Model 3 steigt der Druck weiter. Dennoch hat Tesla seit seiner Gründung 2003 noch keinen Gewinn gemacht.

Der wichtigste Markt für Elektroautos liegt in China. Dort hat sich der Verkauf von Elektroautos im vergangenen Jahr verdreifacht. Gründe für den Boom sind unter anderem Zulassungsbeschränkungen für Autos mit Verbrennungsmotoren in einigen Großstädten sowie die zentralistische Staatslenkung. Größter Markt für Elektroautos in Europa ist Großbritannien, danach folgen Frankreich und Norwegen. Erst an vierter Stelle steht Deutschland.

Japaner bestimmen den Markt

Dominiert wird der Markt nicht von Amerikanern wie Tesla, sondern von japanischen Marken wie Nissan oder Mitsubishi. Dass Deutschland in Sachen Elektromobilität abgehängt wird, glaubt Professor Ackva nicht: „Die deutsche Industrie kann die Aufholjagd schaffen, die vor ihr liegt.“ Das Potenzial dafür sei da. „Die Deutschen müssen aufpassen, dass sie nicht zu lange auf dem hohen Ross sitzen bleiben.“ Ansonsten werde es der Autoindustrie wie den deutschen Röhrenherstellern gehen, ist sich der 55-Jährige sicher. Damals hatte jeder einen Röhrenfernseher. Aber heute gibt es keinen Röhrenhersteller mehr, der noch Fernsehgeräte verkauft.

Die 6. Fahrzeugschau in Bad Neustadt findet am Samstag und Sonntag, 16. und 17. April, auf dem Festplatz statt. Beginn ist jeweils um 10 Uhr.

 
 
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