
Er will nicht alles anders, aber doch vieles besser machen: Friedrich Joussen, der neue Chef der TUI AG. Nach 19 Jahren Regentschaft des ebenso umstrittenen wie bewunderten Manager-Urgesteins Michael Frenzel soll der Blick des 49-Jährigen von außen helfen, das komplexe TUI-Geflecht im Sinn der mächtigen Großaktionäre aus Russland und Norwegen auf Ertrag zu trimmen.
Wer den vierfachen Vater und Ehemann einer Ärztin als reinen Kostenkiller sieht, dürfte indes nicht das ganze Bild vor Augen haben. Kaum eine Führungskraft gilt als so nahbar und offen. „Ich laufe auch mal direkt in die Büros rein“, berichtet er nach wenigen Monaten Einarbeitung in lupenreinem Ruhrpott-Slang über seine Gepflogenheit, auch fremden Kollegen ab und zu höchstpersönlich zum Geburtstag zu gratulieren.
Bei aller Lockerheit im Umgang sollte der Reformkurs des frisch gebackenen Touristik-Kapitäns jedoch nicht als Schmusekurs missdeutet werden. Hart, aber herzlich – nach diesem Motto will „Fritz“ Joussen die aus Sicht vieler Branchenbeobachter verkrusteten TUI-Strukturen auf den Prüfstand stellen – inklusive möglicher Kürzungen bei der Konzernmutter. Seine Herkunft als Elektrotechniker und treibender Innovator des deutschen Mobilfunkgeschäfts ist da alles andere als hinderlich. „Ich komme aus einem sehr numerischen und analytischen Umfeld. Das hat mich im Leben begleitet“, sagt Joussen über Joussen.
Erfindungsreich ist der hoch aufgeschossene Manager mit markigen Zügen und legerem Kleidungsstil nicht nur bei Marketingkonzepten. Inmitten der Goldgräberstimmung auf dem Handymarkt ersann er eine Schnittstelle, die den Austausch der einst unterschätzten SMS zwischen verschiedenen Netzen erlaubte – zum Neid der Wettbewerber. „Wir saßen vor diesen Büchsen – die glühten“, erzählt Joussen über jene Jahre, in denen das Verschicken von Textnachrichten rasant Fahrt aufnahm.
Auf seine genaue Rolle im weit verzweigten TUI-Reich mit der starken britischen Pauschalreisetochter TUI Travel, der Hotelsparte, den Kreuzfahrten und der Fluglinie TUI-fly hat sich der gebürtige Duisburger einstweilen noch nicht festgelegt. „Ich bin viel umhergefahren, habe mich schlaugemacht und begonnen, Hypothesen zu bilden“, sagt Joussen über seine Vorstellungsrunden bei Mitarbeitern, Bankern und Branchenkollegen. „Ich habe noch keine fertige Strategie, dazu ist es jetzt noch zu früh.“
Der scheidende Vorstandschef Michael Frenzel – der am Umbau der im Bergbau-, Stahl- und Kohlebereich tätigen Preussag-Gruppe zur TUI AG maßgeblich beteiligt war – zog insgesamt dennoch ein positives Fazit. Trotz eines Schuldenstands von 178 Millionen Euro nannte er die TUI „quasi schuldenfrei“. Trotz schwierigen Umfelds sei man auf Wachstumskurs. So zeigte im Reisegeschäft die Entwicklung in den vergangenen Monaten nach oben.
TUI
Europas größter Reisekonzern (74 000 Mitarbeiter) leistet sich zwei Zentralen: die der TUI AG in Hannover und die der TUI Travel in London, die einen Großteil des Reisegeschäfts verantwortet. Die britische Tochter gehört derzeit nur zu 56 Prozent der TUI AG. Eine Fusion mit gleichzeitiger Reduktion auf eine Holding könnte, so Experten, einen dreistelligen Millionenbetrag einsparen – sie ist jedoch im Januar gescheitert. Text: md