Mit Kodak schlittert nicht einfach nur ein traditionsreicher Konzern in die Pleite – es ist ein Industriepionier, der die Geschichte der Menschheit verändert hat. Kodak erfand den Fotofilm und die schnell austauschbare Kleinbild-Kartusche. Mit der Ein-Dollar-Kamera „Brownie“ machte der Konzern vor mehr als 100 Jahren das Fotografieren der breiten Masse zugänglich. Zudem legte die Erfindung des Films den Grundstein für das Kino.
Das Unternehmen hat über viele Jahrzehnte hinweg gut verdient – sehr, sehr gut. Firmengründer George Eastman griff zu einem genialen Geschäftsmodell: Den Leuten günstige Kameras in die Hand zu drücken und das Geld dann mit Filmen und den dazugehörenden Dienstleistungen zu machen. Noch in den 70er Jahren dominierte Kodak den amerikanischen Fotomarkt mit einem fantastischen Anteil von mehr als 80 Prozent. Wie kann man aus so einer sagenhaften Position heraus alles verlieren? Der Kodak-Niedergang ist ein Lehrstück dafür, wie sich ein Marktführer vom technologischen Fortschritt überrollen lassen kann. Die tragische Ironie der Geschichte: Kodak hielt die Zukunft als erster in der Hand. Schon 1975, lange vor allen Rivalen, entwickelte Kodak die erste Digitalkamera. Doch das Management verstaute sie wieder im Regal, um nicht das Geschäft mit Fotofilmen zu gefährden.
Mit dieser Entscheidung verpasste Kodak aus Rücksicht auf aktuelle Gewinne eine einmalige Chance, sich an die Spitze der Innovation zu setzen. Den Managern war klar, das ihr lukratives Film-Modell für die digitale Ära nicht mehr passte. Kodak wurde damit zur Geisel des eigenen Erfolgs. In den 90er Jahren versuchte der Konzern, aus seiner starken Marktposition heraus den Übergang zur Digitalfotografie zu steuern – doch die explosive Entwicklung der Technik ließ die Pläne für einen geordneten Wandel wie ein Kartenhaus zusammenbrechen. Das Fotografieren ist auch heute noch ein Milliarden-Markt, doch davon profitieren andere Unternehmen als Kodak – Kamera-Hersteller, Druck-Dienstleister, Software-Entwickler. Mehr noch: Die Smartphone-Kameras sind inzwischen so gut, dass jetzt schon die Hersteller einfacher digitaler Fotoapparate um ihre Zukunft bangen. Seit den 90er Jahren zählte Kodak zwar zu den führenden Herstellern von Digitalkameras, machte damit wie mit analogen Billigfotoapparaten aber Verluste – und konnte das Geld nicht mehr mit Film-Verkäufen wieder reinholen. Die Firma versuchte, ein Geschäft mit Foto-Speicherung auf CDs zu etablieren. Die Technik, die Kodak dazu anbot, war jedoch zu teuer und wenig später hatte jeder ein DVD-Laufwerk in seinem PC. Zuletzt versuchte der aktuelle Chef Antonio Perez, Kodak zum Druck-Dienstleister umzubauen. Alarmzeichen hatte es schon vorher gegeben. Bereits in den 40er Jahren führte Polaroid die Sofortbild-Fotografie ein. Kodak konterte mit eigenen Sofortbild-Kameras, die dem Unternehmen allerdings auch einen langen Ideenklau-Streit mit Polaroid einbrachten. Polaroid ging unter dem Druck der digitalen Konkurrenz 2001 pleite. Jetzt versuchen es neue Investoren unter dem traditionsreichen Markennamen wieder: Sie verkaufen eine Digitalkamera mit eingebautem Drucker, die von Design her an klassische Polaroid-Modelle erinnert. In den 80er Jahren preschte dann der Rivale Fujifilm mit günstigeren Filmen ins angestammte Kodak-Revier vor.
Nach und nach höhlten die Japaner die Kodak-Marktanteile aus, in den 90er Jahren musste Kodak zehntausende Mitarbeiter entlassen. Das Bewusstsein, dass sich etwas ändern muss, war da. Doch die Firmenspitze war zu langsam. Die deutsche Kodak-Tochter erwartet keine Auswirkungen von dem US-Insolvenzantrag. Kodak ist seit 1896 hierzulande aktiv. Aktuell gibt es in Deutschland etwa 1000 Mitarbeiter. Hauptsitz ist Stuttgart mit 380 Stellen.