Der Euro fällt und fällt. Inzwischen hat er den tiefsten Stand seit Juni 2010 erreicht. Fast vergessen scheinen die Zeiten, als die europäische Gemeinschaftswährung an der Marke von 1,40 Dollar kratzte. Das war erst im Mai vergangenen Jahres. Nun, knapp acht Monate später, liegt der Eurokurs gerade noch über der Marke von 1,20 Dollar, der tiefste Stand seit viereinhalb Jahren. Aber damit nicht genug: Manche Experten rechnen in den kommenden Monaten gar mit einem noch niedrigeren Kurs.
Eine der stärksten Triebfedern für die Talfahrt des Euro ist die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Jüngste Aussagen von EZB-Chef Mario Draghi haben bei Experten die letzten Zweifel zerstreut, dass die Notenbank schon bald mit dem umstrittenen Kauf von Staatsanleihen beginnen wird.
Notenbank-Präsident Draghi hatte im „Handelsblatt“-Interview gesagt: „Das Risiko, dass wir unser Mandat der Preisstabilität nicht erfüllen, ist höher als vor sechs Monaten.“ Die EZB sei deshalb in technischen Vorbereitungen, „um den Umfang, Tempo und die Zusammensetzung unserer Maßnahmen Anfang 2015 zu verändern, sollte dies notwendig werden, um auf eine lange Periode zu niedriger Inflation zu reagieren“. Gerechnet wird mit einem breiten Aufkauf-Programm für europäische Staatsanleihen.
„Die Zeichen verdichten sich, dass die EZB schon im Januar beschließen wird, im großen Stil Staatsanleihen zu kaufen“, sagte Ökonom Ralph Solveen von der Commerzbank.
Die größte Sorge der europäischen Währungshüter und Hauptgrund für das Öffnen der Geldschleusen ist die zu niedrige Inflation im Währungsraum. Sie dürfte auch in den kommenden Jahren unter dem anvisierten Ziel der EZB liegen, die stabile Preise bei einer Inflationsrate von mittelfristig knapp zwei Prozent als gewährleistet ansieht.
Vor allem der massive Einbruch der Ölpreise spielt den Befürwortern einer expansiven Geldpolitik in der EZB, den sogenannten Tauben, in die Hände. Die Folge: Zur Jahreswende wird erstmals seit 2009 wieder mit sinkenden Verbraucherpreisen in der Eurozone gerechnet. „Die Tauben im EZB-Rat werden die Preisdaten als Argument für weitere expansive Maßnahmen anführen“, sagte Experte Solveen.
Im Interview des „Handelsblatts“ hatte Draghi noch einmal die Bereitschaft der Währungshüter zum Handeln bekräftigt: „Wenn die Inflation lange zu niedrig bleibt, kann es geschehen, dass die Leute auf weiter sinkende Preise setzen und ihre Ausgaben einfach verschieben“, warnte Draghi. „Wir müssen gegen dieses Risiko angehen.“ Während die Währungshüter in der Eurozone bereit stehen, die Geldschleusen weiter zu öffnen, läuft die Geldpolitik in den USA in eine völlig andere Richtung.
Nachdem die US-Notenbank im Herbst ihre Anleihekäufe beendet hatte, wird Mitte des Jahres mit der ersten Zinserhöhung seit der schweren Finanz- und Wirtschaftskrise gerechnet. Dagegen werden Sparer in der Eurozone noch lange mit Mini-Zinsen leben müssen. „Die Zinsen sind seit langem sehr, sehr niedrig – und das wird wahrscheinlich noch eine Zeit so bleiben“, versicherte EZB-Chef Draghi.
Neben der Geldpolitik sorgt aber auch die unterschiedliche konjunkturelle Entwicklung in den USA und der Eurozone für einen stärkeren Dollar und einen schwächeren Euro. Während die US-Wirtschaft auf Hochtouren läuft und sich die Lage auf dem amerikanischen Arbeitsmarkt seit vielen Monaten stark verbessert, hinkt der Euroraum der Entwicklung hinterher. Hier sieht EZB-Chef Draghi ebenfalls eine wesentliche Ursache für den schwachen Euro: „Die Wirtschaftserholung ist schwächer, die Arbeitslosigkeit höher als vor ein paar Monaten erwartet.“
Immerhin hat der schwache Euro mit Blick auf die weitere konjunkturelle Entwicklung auch seine Vorteile: Er wird künftig vielen Unternehmen im gemeinsamen Währungsraum in die Karten spielen. Wenn der Euro an Wert verliert, können Exportfirmen ihre Waren außerhalb der Eurozone günstiger anbieten. Sie verfügen damit über einen wesentlichen Vorteil im harten internationalen Konkurrenzkampf.
Fortschritte in Griechenland
Die Sorge vor einem politischen Linksruck in Griechenland bei den Neuwahlen Ende Januar treibt auch Ökonomen um. Athen steckt wieder in der Krise, doch die Eurozone scheint dies insgesamt einigermaßen kaltzulassen, anders als auf dem Höhepunkt der Schuldenkrise. Manche Experten sehen den Währungsraum sogar gewappnet für einen möglichen Austritt Griechenlands. Was hat sich in Griechenland geändert? Ein Überblick:
Der Stabilitätsmechanismus: Anders als zu Beginn der Krise, als Politiker mit improvisierten Maßnahmen der Probleme Herr zu werden versuchten, verfügt die Eurozone heute über eine Institution, die speziell für die Rettung angeschlagener Mitglieder geschaffen wurde. Der Europäische Stabilitäts-Mechanismus (ESM) kann Staaten im Notfall mit bis zu 500 Milliarden Euro beispringen. Staaten können Hilfen auch beantragen, wenn Kapitallücken im Bankensystem klaffen.
Die Lage der anderen Staaten: Neben Griechenland mussten während der Eurozonen-Krise auch Portugal, Irland und Zypern unterstützt werden. Anders als damals gibt es heute aber keine Kandidaten mehr, auf die eine Krise überspringen könnte.
Die Europäische Zentralbank: Die EZB hat den Finanzmärkten klar gemacht, dass sie den Euro verteidigen will. Im Juli 2012 erklärte EZB-Präsident Mario Draghi, man werde „alles Erforderliche“ tun, um den Euro zu retten. Seitdem hat die EZB ihre Geldpolitik deutlich gelockert. Die Märkte erwarten, dass die EZB im ersten Quartal 2015 den breit angelegten Kauf von Staatsanleihen verkünden wird.
Das Europäische Bankensystem: Beim Ausbruch der Eurozonen-Krise fürchteten die Kapitalmärkte eine griechische Staatspleite. 2012 verzichteten private Gläubiger auf die Rückzahlung von 100 Milliarden Euro Schulden. Im Vergleich dazu sind Europas Banken heute nicht mehr so stark in Griechenland engagiert. Text: dpa