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FRANKFURT
Der einsame Mahner
Ex-Bundesbankpräsident: Karl Otto Pöhl legte sich in den Wendejahren gerne mit der Politik an. Das Foto entstand 1991.
Foto: Dieter Roosen, dpa | Ex-Bundesbankpräsident: Karl Otto Pöhl legte sich in den Wendejahren gerne mit der Politik an. Das Foto entstand 1991.
reda
 |  aktualisiert: 01.12.2014 15:36 Uhr

Elf Jahre war er als Präsident der Deutschen Bundesbank einer der mächtigsten Männer Deutschlands. Dann warf Karl Otto Pöhl hin. Aus Enttäuschung über die Politik entschied er sich 1991 zu diesem Schritt – vier Jahre vor Ende seiner Amtszeit. „Ich war frustriert über die Art der Wiedervereinigung. Die Notenbank darf kein Instrument der Politik sein“, sagte Pöhl später. Der „Spiegel“ schrieb seinerzeit, Pöhl habe „die Graupen dick und die Nase voll“.

Zu seinem 85. Geburtstag am 1. Dezember hält Pöhl an seiner grundsätzlichen Kritik fest: „Der Wechselkurs, zu dem die Ost-Mark gegen die West-Mark getauscht wurde, entsprach mit Sicherheit nicht den damaligen ökonomischen Realitäten“, sagte der Jubilar in Frankfurt. Ein realistischer Wechselkurs sei aber nicht durchsetzbar gewesen: „Die Bundesbank musste seinerzeit die ,politische' Entscheidung respektieren.“

Der damals oberste Währungshüter Deutschlands musste bei einer der wichtigsten geldpolitischen Operationen in der deutschen Geschichte, der deutsch-deutschen Währungsunion 1990, klein beigeben – obwohl er als Bundesbankchef (vom 1. Januar 1980 bis zum 31. Juli1991) als unbestrittene Führungsfigur unter den Notenbankchefs der westlichen Welt galt.

Wie ein einsamer Rufer in der Wüste warnte Pöhl seinerzeit vor einer überhasteten Wiedervereinigung. Als Notenbankchef sagte er der DDR „katastrophale Zustände“ nach der Währungsunion voraus und warnte vor den Lasten der Einheit. Unermüdlich setzte sich Pöhl in den Wendejahren 1989/1990 für eine schrittweise wirtschaftliche Annäherung beider Staaten ein – doch seine Kritik verhallte.

„Ich habe eine Steuererhöhung gefordert, aber Bundesfinanzminister Theo Waigel hat mich dafür beschimpft“, erinnerte sich der einst mächtigste Geldpolitiker des Landes kurz vor seinem 75. Geburtstag 2004. „Später wurde der Solidaritätszuschlag eingeführt.“

Tauschkurs 2:1

Der Diplom-Volkswirt hatte davor gewarnt, „die Wiedervereinigung mit der Notenpresse zu finanzieren“. Seine Empfehlung für einen Umtauschkurs von 2:1 zwischen DDR-Geld und harter D-Mark sowie einer Sonderwirtschaftszone Ost ignorierte die Bundesregierung unter Kanzler Helmut Kohl (CDU). Später bezeichnete Pöhl die innerdeutsche Währungsunion als „drastische Illustration“ dafür, welche Fehler auf dem Weg zur Europäischen Währungsunion vermieden werden sollten.

Rückblickend zeigte Pöhl jedoch Verständnis für die Entscheidungen der Politik. Die Demonstranten auf den Straßen in Ostdeutschland hätten die D-Mark unbedingt gewollt: „Es war wie eine Lawine, die niemand stoppen konnte und wollte.“

Nach seinem Rückzug aus der Notenbank setzte sich der passionierte Golfer nicht zur Ruhe, sondern wurde Anfang 1992 Sprecher der Privatbank Sal. Oppenheim, wo er 1998 altersbedingt aus der Geschäftsführung ausstieg. Der gebürtige Hannoveraner und Vater von vier Kindern – zwei aus erster und zwei aus zweiter Ehe – hatte seine Karriere als Journalist begonnen, danach war er Abteilungsleiter im Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung.

1948 trat der eloquente Volkswirt in die SPD ein. Er arbeitete im Bundeswirtschaftsministerium, war Berater von Bundeskanzler Willy Brandt und Staatssekretär im Finanzministerium unter Helmut Schmidt (beide SPD), bevor er 1977 zur Bundesbank wechselte.

2005 gab Pöhl sein SPD-Parteibuch ab. „Die SPD hat alles vergessen, was sie in den 50er und 60er Jahren nach vorne brachte“, sagte er ein Jahr später der „Wirtschaftswoche“: „Das ganze Gerede von sozialer Gerechtigkeit, Kündigungsschutz, Mindestlohn, das bremst doch nur.“

Bleibende Spuren hinterließ Pöhl auf dem Weg zur Europäischen Währungsunion. Als seine wichtigste persönliche Leistung bezeichnete er das Statut der Europäischen Zentralbank, das unter seinem Vorsitz erarbeitet wurde. „Die Schaffung der EZB, einer unabhängigen europäischen Notenbank nach dem Vorbild der Deutschen Bundesbank, war ein großer Schritt in Richtung einer europäischen Integration“, sagt Pöhl heute.

„Ob es ein erfolgreicher Schritt ist, muss sich allerdings noch erweisen. Die nationalen Unterschiede sind immer noch ein permanenter Sprengstoff für das System.“ Zumindest sei die EZB „eine der wenigen funktionsfähigen Institutionen in Europa“.

Doch wie seine Nachfolger an der Bundesbank-Spitze pocht Pöhl, der in der Schweiz lebt, auf die Einhaltung der engen Grenzen der Geldpolitik: Die Politik müsse akzeptieren, „dass Währungsstabilität die Hauptaufgabe der Notenbanken ist“, mahnt Pöhl.

In den täglichen Debatten reibt er sich nicht mehr auf – und spart seine Kräfte lieber zum Beispiel zum Feiern: „Auch diesen Geburtstag werde ich wieder im Kreis meiner Familie und meiner Freunde verbringen. Denn wer weiß, wie oft noch?“

 
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