Nach Jahren der blutigen Kämpfe in der Ostukraine hat die Diplomatie endlich wieder eine Chance. Bei dem Treffen der Staats-und Regierungschefs von Frankreich, Deutschland, Russland und der Ukraine in Paris könnte kommenden Montag ein erster Schritt für das Schweigen der Waffen erzielt werden. Emmanuel Macron und Angela Merkel halten stellvertretend für die Europäer zwei Asse in der Hand, die sie nicht vorschnell verschenken sollten.
Die höhere Trumpfkarte sind die europäischen Sanktionen gegen die russische Wirtschaft. Sie schaden zwar nicht mehr so stark wie noch vor einigen Jahren, bremsen die russische Wirtschaft aber noch immer. Die Russen spüren sie bis heute im Alltag. Wegen russischer Gegenmaßnahmen ist der Import von Fleisch und Milchprodukten verboten. Im Supermarkt müssen die Russen jetzt mit heimischen Erzeugnissen vorlieb nehmen, die an die Qualität der europäischen Produkte nur selten heranreicht.
Die deutsche Wirtschaft will die Strafmaßnahmen so schnell wie möglich abschaffen. Auch die Ministerpräsidenten aus Ostdeutschland fordern das. Doch die Kanzlerin sollte bei ihrer Linie bleiben, die Strafmaßnahmen nur schrittweise gegen konkrete Fortschritte für den Frieden zu lockern. Für Staatschef Wladimir Putin wäre eine Aufhebung der Sanktionen ein schöner Prestigeerfolg, den er seinen Landsleuten präsentieren könnte. Das blutleere Wirtschaftswachstum könnte an Tempo gewinnen. Höbe er dann noch den Einfuhrstopp für Lebensmittel auf, hätten die Russen im Supermarkt wieder die volle Auswahl.
Die zweite Asskarte ist der Anlauf, den Macron nehmen will, um das beschädigte Verhältnis zu Moskau auf neue Füße zu stellen. Putin bekäme davon eine deutliche Aufwertung seiner Politik im Westen. Er könnte mit Fug und Recht behaupten, dass Russland zurück ist im Spiel der Großmächte. Vielleicht ließe sich dadurch auf mittlere Sicht Geld für den Wiederaufbau Syriens herbeischaffen, das die Kriegsparteien völlig versehrt haben. Russland, dem Assad-Regime und dem Iran fehlen dazu die nötigen Milliarden. Im Gegenzug müsste der russische Staatschef seine aggressive Politik in Osteuropa aufgeben oder zumindest entschärfen. Das betrifft nicht nur die Ukraine, sondern auch andere Länder der früheren Sowjetunion und des Ostblocks. Russland und die Europäer könnten bei wichtigen Zukunftstechnologien zusammenarbeiten und ein Gegengewicht bilden zu den USA und China. Gleichzeitig könnte die Sicherheit in Europa verbessert werden. Nato und die russische Armee würden sich nicht mehr so heftig belauern wie in diesen Tagen. Beide Seiten könnten gewinnen.