Gesundheit kostet. Denn vieles wird nicht mehr von der Krankenversicherung übernommen. Man denke an Heilpraktiker, Zahnersatz, Sehhilfen oder Gesundheitschecks. Immer mehr Firmen zahlen die Kosten hierfür ganz oder teilweise im Rahmen betrieblicher Krankenversicherungen. Die gelten zunehmend als ein Mittel, um Fachkräfte zu binden und neue Mitarbeiter zu gewinnen. In der Region Mainfranken setzt beispielsweise das Möbelhaus XXXLutz auf dieses Instrument.
Zahnersatz vom Arbeitgeber
"Wir bieten wahlweise eine Krankenzusatz- oder eine Unfallversicherung an", berichtet Pressesprecher Volker Michels. Die Leistungen sind Teil des Mitarbeiter-Benefitprogramms "XXXL-Plus", das XXXLutz nach langjähriger Entwicklung seit 2017 umsetzt und heuer aufgrund des großen Zuspruchs ausgebaut hat. Das Unternehmen übernimmt die gesamten Beiträge für eine Krankenzusatzversicherung. Damit werden zum Beispiel Kosten für Heilpraktiker zu 70 Prozent und bis zu 250 Euro innerhalb eines Jahres erstattet.
Auch dann, wenn sie zum Zahnarzt gehen, profitieren die Mitarbeiter vom Benefitprogramm. So werden 40 Prozent des Rechnungsbetrags für Zahnkronen, Brücken, Prothesen, Stiftzähne, Keramikverblendungen im Frontzahnbereich, Inlays oder Implantate erstattet. XXXLutz investiert Michels zufolge auf diese Weise in die Motivation seiner Beschäftigten.
Chefarztbehandlung und Einzelzimmer
Die Würzburger Anwaltskanzlei Leschnig & Kollegen schloss 2016 eine betriebliche Krankenversicherung für ihre Mitarbeiter ab. Auch hier bemüht man sich, als sozial engagierter Arbeitgeber wahrgenommen zu werden: "Wir leisten bereits seit einigen Jahren maximale Zuschüsse zur betrieblichen Altersversorgung und sahen in der bKV eine sinnvolle Ergänzung", erklärt Rechtsanwalt Marc Doßler, Inhaber der Kanzlei. Gemeinsam mit den Mitarbeitern entschied man sich für ein System, das aus drei Komponenten besteht.
Zum einen bieten Leschnig & Kollegen eine Krankenhauszusatzversicherung an. Die garantiert eine Behandlung durch den Chefarzt sowie ein Einzelzimmer. Weiter sieht die bKV Zahnprophylaxe sowie eine Gesundheitsvorsorge vor. Doßler: "Hier werden Zusatzkosten für Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen gezahlt, die die gesetzliche Versicherung nicht leistet."
Gesundheitsprüfung unnötig
Den acht Angestellten der Kanzlei ist es freigestellt, ob sie an der Zusatzpolice teilnehmen wollen oder nicht. Auch kann jeder entscheiden, welche Module er haben möchten. "Alle unsere Mitarbeiter haben sich für die bKV entschieden", so Doßler. Teilweise bestanden allerdings bereits private Versicherungen, sodass nicht jeder jedes Modul genommen hat. Da die Aufnahme ohne besondere Gesundheitsprüfung erfolgt, war die bKV gerade auch für ältere Mitarbeiter interessant. Hätten sie sich privat für eine Zusatzversicherungen entschieden, hätten sie sich einer Gesundheitsprüfung unterziehen müssen.
Einen Haken hat das Ganze allerdings, räumt Doßler ein: "Die monatlichen Beiträge für die medizinischen Extraleistungen sind als geldwerter Vorteil steuer- und sozialversicherungspflichtig." Anlässlich der Einführung der bKV gab es deshalb eine Gehaltserhöhung, damit die Mitarbeiter weiterhin das gleiche Nettoeinkommen auf dem Konto haben. Sollte ein Mitarbeiter kündigen, endet die bKV.
Idee aus Holland
"Wir wollen mit der bKV unsere Mitarbeiter binden", betont Doßler. Denn neue Fachkräfte zu gewinnen, ist inzwischen auch für Anwaltskanzleien schwer. 2016 benötigten Leschnig & Kollegen eine Elternzeitvertretung, die unbefristet eingestellt werden sollte. Doßler: "Wir haben monatelang gesucht, bei äußerst geringer Resonanz."
Leschnig & Kollegen sind Kunde des Würzburger Finanzdienstleisters Georg Franz Rausch. Der gilt als Pionier in Sachen bKV in der Region. Vor zehn Jahren begann der Spezialist für Vorsorgesysteme, sich mit dieser Thematik zu befassen.
"Schuld war meine Tochter", erzählt er. Die hatte zu jener Zeit begonnen, als Führungskraft in einem Konzern in Holland zu arbeiten. Dem Vater berichtete sie, dass der Konzern sie komplett krankenversichert. Bis dahin hatte auch Rausch noch nichts von betrieblichen Krankenversicherungen gehört: "Ich fand die Idee sehr interessant."
Zwischen 15 und 70 Euro pro Mitarbeiter und Monat
Rausch arbeitete sich in die Thematik ein. Nahm Kontakt zu Versicherern auf. Und begann, für den Gedanken "bKV" zu werben. Was zunächst äußerst zäh war: "Erst im Jahr 2016 implementierte ich die erste bKV", erzählt der 65-Jährige.
Rauschs Job besteht darin, für jedes Unternehmen eine maßgeschneiderte bKV zu finden. Ein Handwerksbetrieb benötigt etwas anders als ein Handelsunternehmen. Auch inhaltlich ist in Sachen bKV viel möglich. Angefangen von höheren Zuzahlungen bei Brillen über Vorsorgeuntersuchungen, Reise- oder Krankentagegeldversicherungen.
Welches Modell am Ende implementiert wird, hängt nicht zuletzt davon ab, was der Chef ausgeben will. 15 Euro pro Monat und Mitarbeiter sind Rausch zufolge das Minimum. Wer etwas "Gescheites" haben will, muss monatlich um die 50 Euro pro Beschäftigten investieren: "Ich habe IT-Firmen, die 70 Euro pro Monat und Mitarbeiter zahlen."
Abschreckend war für Beschäftigte bisher, dass die Beiträge als Barlohn galten und damit Steuern und Sozialabgaben fällig wurden. Doch das könnte sich bald ändern. Denn der Bundesfinanzhof entschied in zwei kürzlich veröffentlichten Urteilen, dass es sich, unter bestimmten Bedingungen, bis 44 Euro monatlich um einen steuerfreien Sachlohn handelt. Nun ist die Finanzverwaltung am Zug, dies umzusetzen.
"Die bKV kann ein Aspekt sein, um als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden", bestätigt Radu Ferendino, Pressesprecher der IHK Würzburg-Schweinfurt. Dem stimmt Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, zu: "Diese freiwillige, vom Arbeitgeber geleistete Gruppenversicherung ist ein Baustein attraktiver Personalpolitik." Arbeitnehmer honorierten dies nach Einschätzung der vbw sowohl bei der Wahl des Unternehmens als auch beim Verbleib.
Immer mehr Unternehmen springen auf
Laut Jens Wegner, Pressereferent beim Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV-Verband), boomen Betriebliche Krankenversicherungen. Ende 2015 boten deutschlandweit erst rund 3850 Unternehmen eine arbeitgeberfinanzierte bKV an. Ende 2018 schnellte diese Zahl auf 7500 Betriebe hoch. Die Zahl der Arbeitnehmer, die in den Genuss einer bKV kommen, stieg laut Verbandsstatistik im selben Zeitraum von 575 000 auf 750 000.
"Für Arbeitgeber ist die betriebliche Krankenversicherung nicht nur ein wichtiges Instrument, um Fachkräfte zu gewinnen und sie langfristig zu binden", so Wegner. Durch Präventionsangebote und eine schnellere Genesung im Krankheitsfall sowie durch eine bessere Versorgung könnten sich Fehlzeiten verringern. "Das wiederum verbessert die Produktivität", so der PKV-Verbandssprecher.