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BERLIN
Dauerbaustelle BER
GERMANY-AIRPORT-BERLIN-FILES       -  Bauarbeiter statt Passagiere: Der neue Hauptstadtflughafen ist auch drei Jahre nach dem ursprünglich vorgesehenen Eröffnungstermin nicht fertig.
Foto: Odd Andersen, afp | Bauarbeiter statt Passagiere: Der neue Hauptstadtflughafen ist auch drei Jahre nach dem ursprünglich vorgesehenen Eröffnungstermin nicht fertig.
reda
 |  aktualisiert: 21.08.2015 15:57 Uhr

Es beginnt leise, wie ein Rauschen. Dann schwillt der Pegel zum Dröhnen an, entwickelt sich zum Donnern. Ein Flugzeug schiebt sich ins Blickfeld. Sein Bauch berührt beinahe die Dächer der Mehrfamilienhäuser am Kurt-Schumacher-Platz in Berlin. Der Kutschi, wie Berliner sagen, liegt nur wenige Minuten vom Rollfeld des Flughafens Tegel entfernt. Er ist umgeben von Wohnhäusern, Schulen, Geschäften und Schnellrestaurants. Eigentlich hätte am Kutschi seit 1173 Tagen Ruhe sein sollen. Denn am 3. Juni 2012 hätte der Flughafen Berlin Brandenburg (BER) öffnen sollen. Tegel wäre damit Geschichte gewesen. Doch die Eröffnung wurde abgesagt und seitdem ist an Ruhe nicht zu denken.

Stattdessen wächst die Liste der Panne am Hauptstadtflughafen: mangelnder Brandschutz, zu kurze Rolltreppen, in die Lüftungen tropfte Regenwasser. Seit vergangener Woche ist die Reihe um zwei neue Vorfälle länger: Die an der Baustelle beteiligte Firma Imtech meldete Insolvenz an und die Flughafengesellschaft hat anscheinend Rechnungen für nicht erbrachte Leistungen bezahlt. „Uns macht das sprachlos, wie viel Inkompetenz bei dem Bau an den Tag gelegt wird“, sagt Helmut Möller von der Bürgerinitiative „Tegel endlich schließen“.

Eröffnungstermin unklar

Imtech ist auf der BER-Baustelle unter anderem für die Klima- und Heizungstechnik und einen Teil der Brandschutzanlage zuständig. Kurz nachdem die Insolvenz vergangene Woche bekannt geworden war, sagte BER-Chef Karsten Mühlenfeld, dass er davon ausgehe, dass die Bauarbeiten nicht wie geplant bis März 2016 abgeschlossen werden könnten. Am Montag diese Woche gab die Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg (FBB) dann bekannt, dass die Zusammenarbeit mit der Firma Imtech weitergehe und sich der Gebäudeausstatter verpflichtet habe, seine Leistungen zu erbringen. „Wir haben mit der Imtech-Vereinbarung eine erste wichtige Entscheidung getroffen, um die Folgen der Insolvenzankündigung von Imtech für den BER so gering wie möglich zu halten“, sagte Mühlenfeld. Was das letztendlich für den Eröffnungstermin bedeutet, ist unklar.

Im Fall der überhöhten Rechnungen ermittelt mittlerweile die Staatsanwaltschaft Cottbus. Der Verdacht des Betrugs war bei einer Überprüfung alter Rechnungen aufgekommen. Der Antikorruptionsbeauftragten der FBB war aufgefallen, dass für Leistungen bezahlt wurde, die nie erbracht worden waren. Wie hoch die fälschlicherweise bezahlte Summe sein soll, dazu will sich die Flughafengesellschaft mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen nicht äußern. Insider gehen von 1,9 Millionen Euro aus.

Es wäre nicht das erste Mal, dass die Flughafengesellschaft Rechnungen ohne Prüfung beglich. Seit Dezember 2014 ermittelt die Staatsanwaltschaft Neuruppin gegen einen ehemaligen Prokuristen der Flughafengesellschaft und den insolventen Gebäudeausstatter Imtech. Die Firma soll ihn bestochen haben, damit Rechnungen ungeprüft bezahlt werden.

Schon vor der Eröffnung zu klein

Weitere Hürden für die Großbaustelle sind schon in Sichtweite. So gilt die Baugenehmigung etwa nur bis Anfang 2017, sagt Steffen Streu, Sprecher des brandenburgischen Infrastrukturministeriums. Dann läuft sie aus und der Flughafen müsste eine neue beantragen. Doch das Land Brandenburg arbeitet gerade an einer neuen Bauordnung.

„Das hat mit dem Flughafen nichts zu tun. Wir müssen uns an eine Musterbauordnung der Länder anpassen“, betont der Ministeriumssprecher. Allerdings soll in dem Gesetz eine Ausnahme für Großprojekte enthalten sein: Für sie können Baugenehmigungen künftig nicht mehr auslaufen. Anfang 2016 wird der brandenburgische Landtag über das Gesetz beraten. „Uns ist natürlich allen daran gelegen, dass der Flughafen fertig wird“, sagt Streu.

Wenn das einmal so weit ist, hat der BER Kapazitäten für 27 Millionen Passagiere. Schon im vergangenen Jahr zählten die beiden bestehenden Berliner Flughäfen Tegel und Schönefeld allerdings 28 Millionen Reisende. Und die Zahl steigt weiter, wie die aktuellen Verkehrsstatistiken zeigen. Der BER ist also schon vor seiner Eröffnung zu klein. Für die nächsten fünf Jahre soll deshalb ein Teil des Flugverkehrs über den alten Schönefelder Flughafen abgefertigt werden. Währenddessen soll der BER erweitert werden. Wie ist offen.

Für Helmut Möller von der Bürgerinitiative ist das alles ein Unding. Auch er und seine Mitstreiter sind völlig im Unklaren darüber, wann Tegel schließt. Ginge es nach ihnen, dann so schnell wie möglich.

Millionenkredit für Imtech

Der insolvente Bauausrüster Imtech Deutschland hat von ungenannten Kreditgebern einen Massekredit in Millionenhöhe erhalten.

Derzeit sei aber nicht absehbar, ob dieses Darlehen überhaupt in Anspruch genommen werden müsse, teilte der vorläufige Insolvenzverwalter Peter Alexander Borchardt am Freitag in Hamburg mit: „Die Liquidität von Imtech Deutschland entwickelt sich deutlich besser als erwartet.“ Der Massekredit gebe wertvollen finanziellen Rückhalt, sollte weiteres Geld zur Fortführung ertragreicher Baustellen benötigt werden. Die Löhne und Gehälter der 4000 Mitarbeiter würden planmäßig kommende Woche als Insolvenzgeld ausgezahlt. Text: dpa

 
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