Vom Euro als „Teuro“ kann schon lange keine Rede mehr sein. Warnten Experten noch vor zwei Jahren vor der Inflation in den Euro-Ländern, hat die Europäische Zentralbank (EZB) nun andere Sorgen. Seit Monaten ist der Preisauftrieb schwach. Notenbank-Präsident Mario Draghi warnte eindringlich vor den Gefahren einer anhaltenden Mini-Inflation für die Konjunktur – und will notfalls alle möglichen Instrumente aus dem Schrank holen. Doch vorerst hält er still.
Noch im März betrug die Jahresteuerung 0,5 Prozent – das war der tiefste Stand seit November 2009. Im April zog sie wegen der Osterferien leicht auf 0,7 Prozent an, Experten hatten aber mehr erwartet. So oder so liegt der Wert weit unter der EZB-Zielmarke von 2,0 Prozent. Bei dieser sieht die Notenbank stabile Preise gewahrt.
Für Verbraucher zunächst nichts. Vielmehr können sich die Menschen freuen, wenn Benzin, Brot oder Urlaub kaum teurer werden. Sollte ihr Einkommen stärker steigen als das Preisniveau, können sich die Europäer für ihr Geld mehr kaufen.
Weil die niedrige Inflation öffentliche und private Schuldner belastet – denn der jeweils aktuelle Gegenwert der Schulden sinkt langsamer. Das erschwert den Staaten den Schuldenabbau. Zudem haben Unternehmen in den Euro-Krisenländern weniger Spielraum. Sie müssen ihre Preise an die internationale Konkurrenz anpassen, um wettbewerbsfähiger zu werden. Bei höherer Inflation können stabile Preise reichen, wenn gleichzeitig Produkte aus anderen Ländern teurer werden. Bei geringer Inflation wie zurzeit müssen sie die Preise senken. Das ist schwierig, weil die Firmen nicht einfach Löhne kürzen können. Zudem besteht das Risiko einer Deflation – also einer Spirale sinkender Preise quer durch die Warengruppen. Das würde die Konjunktur abwürgen.
Ein wesentlicher Grund sind die weltweit gesunkenen Energiepreise. Zum Teil ist das niedrige Preisniveau in einigen Euroländern aber auch hausgemacht. Die Länder müssen ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken. „Da eine externe Abwertung über die Wechselkurse in der Währungsunion nicht möglich ist, müssen die Staaten letztlich intern abwerten. Dies führt zu teilweise sinkenden Preisen“, erklärt Bundesbank-Vorstand Joachim Nagel.
Eher nicht. Experten rechnen damit, dass die Teuerung in den nächsten Monaten anzieht, aber noch länger unter dem Zielwert der EZB bleibt. „Das Tief der Inflation dürfte wohl hinter uns liegen“, vermutet Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Die Erholung der Konjunktur dürfte den Preisauftrieb ankurbeln. Die EU-Kommission erwartet 2014 1,2 Prozent Wachstum für den Euroraum nach minus 0,4 Prozent 2013.
Theoretisch animiert billiges Geld Unternehmen zum Investieren und Verbraucher zum Konsumieren – beides kurbelt die Konjunktur an und treibt die Preise. Doch die EZB hat den Leitzins bereits auf das Rekordtief von 0,25 Prozent gesenkt. Und obwohl die Banken sich daher extrem günstig Zentralbankgeld besorgen können, vergeben sie gerade in den Krisenstaaten zu wenig Kredite. Ob eine weitere Zinssenkung das ändern könnte, ist umstritten.
Sie könnte den Zins für Geld, das Geschäftsbanken bei der Notenbank parken, sogar unter Null senken. Das wäre eine Art Strafzins für Institute, die ihr Geld von der EZB aufbewahren lassen, statt es als Kredite an Firmen und Verbraucher weiterzureichen. Diese Maßnahme ist umstritten, weil die Banken die Kosten einfach an die Kunden weitergeben könnten. Das würde Kredite verteuern, statt die Kreditvergabe anzukurbeln. Zudem diskutiert die EZB über den Kauf von Wertpapieren in großem Stil und über weitere Geldschwemmen für Banken. EZB-Präsident Mario Draghi hat angekündigt, dass „die EZB auch weitere unkonventionelle Maßnahmen im Rahmen ihres Mandats einsetzen wird, um die Risiken einer zu langen Periode niedriger Inflationsraten in den Griff zu bekommen.“ Denkbar seien etwa groß angelegte Käufe von Staats- und Unternehmensanleihen.
Weil er in den vergangenen Monaten gegenüber anderen Währungen an Wert gewonnen hat und inzwischen bei knapp 1,39 US-Dollar liegt. Das macht Europas Exporteuren zusätzlich das Leben schwer, weil ihre Waren im außereuropäischen Ausland teurer werden. Der französische Ministerpräsident Manuel Valls forderte jüngst Schritte gegen eine zu starke Gemeinschaftswährung, was die Bundesregierung ablehnt. Dies wäre ein massiver Angriff auf die Unabhängigkeit der EZB. Für die Notenbank ist der starke Euro ein Problem, weil dann importierte Waren billiger werden und das Preisniveau weiter unter Druck gerät.
Der Leitzins
Konjunktur: Der Leitzins ist das wichtigste Instrument der Europäischen Zentralbank (EZB). Er ist der Zinssatz, zu dem sich Geschäftsbanken Geld bei der Notenbank ausleihen können, um es dann zum Beispiel als Kredit an ihre Kunden weiterzugeben. Daher kann ein niedriger Leitzins die Konjunktur ankurbeln. Kredite werden – so die Idealvorstellung - günstiger, Unternehmen können Investitionen leichter finanzieren. Gleichzeitig lohnt sich Sparen bei niedrigen Zinsen für Verbraucher weniger. Da sie ebenfalls an günstigere Kredite kommen, resultiert daraus womöglich mehr Konsum – und ein Impuls für die Wirtschaft.
Inflation: Steigt der Leitzins, kann er die Inflation dämpfen. Kredite werden teurer, Sparen wieder attraktiver – Unternehmen schieben in der Regel dann Investitionen auf und Konsumenten haben weniger Anreize, Geld auszugeben. Die Folge: Die Preise lassen sich nicht mehr so einfach erhöhen. Momentan liegt die Inflation deutlich unterhalb der EZB-Zielmarke von knapp zwei Prozent - eine weitere Dämpfung wäre also kein wünschenswerter Effekt.